Papst bittet um Vergebung

Papst Franziskus.
Papst Franziskus.(c) APA/AFP/FILIPPO MONTEFORTE
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Franziskus wendet sich in einem Brief an das „Volk Gottes“. Darin räumt er ohne Umschweife Fehler der Kirche im Umgang mit Missbrauchsfällen wie jüngst in Pennsylvania ein.

Rom. Mit einer derart schnellen und klaren Reaktion des Papstes auf die Enthüllung von Missbrauchsfällen im US-Bundesstaat Pennsylvania hat wohl kaum ein Vatikan-Beobachter gerechnet. Am Montag wandte sich Franziskus in einem Brief an „das Volk Gottes“.

Darin bittet das Kirchenoberhaupt um Vergebung für das Versagen der Kirche im Umgang mit Missbrauch an Kindern und anderen Schutzbedürftigen. Bereits am Donnerstag hat Vatikan-Sprecher Greg Burke die aktuell diskutierten Missbrauchsfälle in den Vereinigten Staaten offiziell kommentiert – allerdings ohne direkte Zitate oder Stellungnahmen des Papstes.

„Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder.“ Mit diesen Worten des Apostels Paulus beginnt das vierseitige Schreiben des Papstes, in dem er vor allem die Vertuschungen seitens geistlicher Würdenträger scharf kritisiert. „Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden sind, wo wir eigentlich hätten stehen sollen, und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannt haben.“ Der sexuelle Missbrauch, begangen von Klerikern und Ordensleuten, sei ein „Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und der Ohnmacht erzeugt“.

Um Verzeihung zu bitten sei nie genug, so der Papst weiter. Und es werde nie zu wenig sein, „was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten“.

„Kultur des Todes ausmerzen“

Franziskus lobt in seinem Schreiben zwar die Anstrengungen, die in den vergangenen Jahren bereits unternommen worden sind, das System von Schweigen und Vertuschen zu durchbrechen. Doch die Kirche müsse dringend noch einmal ihre Anstrengung verstärken, um den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten. „Wir müssen uns mit Nachdruck verpflichten, diese Gräueltaten zu verdammen, wie auch die Anstrengungen zu bündeln, um diese Kultur des Todes auszumerzen.“

Das Schreiben von Franziskus ist eine direkte Reaktion auf den am vergangenen Dienstag veröffentlichten Bericht einer Grand Jury in Pennsylvania, in dem aufgezeigt wird, wie in den vergangenen 70 Jahren 300 Geistliche mehr als 1000 Kinder missbraucht haben sollen. Die Dunkelziffer soll noch weit über diesen Zahlen liegen. Unter anderem war durch den Bericht auch ans Licht gekommen, dass Kardinal Donald Wuerl, der die Erzdiözese in Washington leitet, mitgeholfen haben soll, beschuldigte Priester zu schützen.

Wie sein Vorgänger, der deutsche Papst Benedikt XVI., hatte sich auch Papst Franziskus in den vergangenen Jahren immer wieder zu persönlichen Gesprächen mit Missbrauchsopfern getroffen. Über diese Treffen und ihre genauen Inhalte bewahrte der Vatikan immer Stillschweigen, doch dürften sie die Sprache dieses Briefes maßgeblich beeinflusst haben.

„Wir sind uns im Lauf der Zeit über den Schmerz vieler Opfer bewusst geworden“, schreibt Franziskus, „und wir müssen feststellen, dass die Wunden nie verschwinden.“ Der Schmerz der Opfer sei eine Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt. Ihr Schrei sei stärker gewesen „als die Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschweigen“. In seinem Brief kritisiert Franziskus erneut den Klerikalismus in der Kirche, also die Herrschaft geistlicher Würdenträger, die für ihn eine der Hauptursachen für den sexuellen und psychischen Missbrauch darstellen.

Treffen in Dublin erwartet

Der Papst spricht von einer „anomalen Verständnisweise von Autorität in der Kirche“. Der Klerikalismus erzeuge „eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen“. Zum Missbrauch Nein zu sagen bedeute, zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen. Bereits bei einer Pressekonferenz im Mai 2017 auf dem Rückflug von Fatima hat sich der Papst deutlich gegen die Vorherrschaft der Priester in der katholischen Kirche ausgesprochen. „Das ist eine Pest in der Kirche.“

Im März 2010 hat bereits Papst Benedikt einen Papstbrief zu den Missbrauchsfällen in Irland veröffentlicht und die Opfer um Verzeihung gebeten. Am kommenden Wochenende reist Franziskus zum neunten Weltfamilientreffen nach Dublin. Es wird erwartet, dass der Papst auch dort wieder in privaten Begegnungen mit Missbrauchsopfern sprechen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2018)

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