Das politische Vermächtnis des John McCain

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Mit McCain geht einer der schärfsten Kritiker Trumps, ein Querdenker innerhalb der Republikaner.

New York. Es war der 14. Juli 2017, eine Routineuntersuchung in seinem Heimatstaat Arizona brachte den Gehirntumor bei John McCain ans Tageslicht. Das politische Urgestein, seit 30 Jahren im Senat, wurde sofort operiert. Zwei Wochen später stand McCain gegen den Rat seiner Ärzte vor dem Kongress in Washington und gab die wohl wichtigste Stimme seiner Karriere ab: jene gegen eine Aufhebung der Gesundheitsreform von Barack Obama. Sichtlich gezeichnet, große Narbe über dem linken Auge, senkte McCain den Daumen nach unten.

Gut ein Jahr danach ist der Republikaner tot. Er starb 81-jährig in seinem Haus in Cornville in Arizona. Zu erzählen gibt es viel über den Kriegsveteranen, der in Vietnam jahrelang gefoltert worden war. Unvergessen, als er nach seiner Rückkehr Richard Nixon gegenüberstand, angeschlagen, auf Krücken gestützt, schwer gezeichnet von seinen Erfahrungen. Die am eigenen Leib erlebte Folter war es auch, warum sich McCain viele Jahre später stets gegen ebendiese einsetzte und sich gegen das „waterboarding“ unter George W. Bush aussprach.

Für viele war McCain ein Vorzeigerepublikaner. Militärisch ein Falke, einer der stärksten Befürworter der Irak-Invasion 2003, der die USA durchaus als Weltpolizist sah, selbst einen Krieg gegen den Iran nicht ausschließen wollte und Sanktionen gegen Russland immer befürwortete. Wirtschaftspolitisch ein klassischer Neoliberaler, der sich gegen staatliche Intervention und für geringere Steuern einsetzte.

Prinzipien statt Parteilinie

Allerdings: Der frühere Kampfpilot war auch ein Querdenker, seine Stimme hatte Gewicht, weil er sich deutlich mehr um seine Prinzipien scherte als um die Parteilinie. Er war kein Freund von Obamacare, kritisierte die Demokraten stets dafür, die Reform in Windeseile ohne Input der Konservativen durch den Kongress gedrückt zu haben. Als die Republikaner 2017 schließlich das Gleiche versuchten, um Obamacare aufzuheben, blieb McCain konsequent. 51 zu 49 ging die Abstimmung für die Beibehaltung aus. Hätte McCain mit seiner Partei gestimmt, wäre Obamacare Geschichte gewesen, weil Vizepräsident Mike Pence bei 50:50 die entscheidende Stimme zugekommen wäre. In Erinnerung bleibt die heftige Debatte zwischen Pence und McCain unmittelbar vor der Stimmabgabe, in den ehrwürdigen Räumlichkeiten des Kongresses.

Donald Trump kam mit McCain nie zurecht. Dem Quereinsteiger war der Altmeister, der das Handwerk über viele Jahrzehnte erlernt hatte, stets ein Dorn im Auge. Nach dem Gipfel zwischen Trump und Wladimir Putin vergangenen Monat meldete sich der im Sterben liegende Senator nochmals zu Wort: „Kein Präsident hat sich jemals erbärmlicher vor einem Tyrannen erniedrigt“, ließ McCain von seiner Ranch ausrichten.

US-Verständnis von Demokratie

Das Verhältnis der beiden war spätestens unwiderruflich zerstört, nachdem Trump, damals noch als Kandidat, McCains Erfahrungen in Vietnam kommentierte: „Ich mag Leute, die nicht gefangen wurden.“ McCain antwortete nie direkt, stattdessen kritisierte er den Präsidenten, wenn immer er das für nötig hielt. Trotzdem verhalf McCain Trump bei seinem letzten Auftritt in Washington zu einem seiner größten Erfolge: Im Dezember stimmte der Senator für die umfangreichste US-Steuerreform seit Jahrzehnten.

Mit McCain geht ein Politiker der alten Schule, der das amerikanische Verständnis von Demokratie, wonach persönliche Überzeugungen wichtiger als die Parteilinie sein sollten, vorlebte wie kaum ein anderer. Aus welchem Holz der Vater von sieben Kindern geschnitzt war, zeigt sein letzter Wunsch: Auf dem Begräbnis sollen ihn Barack Obama, dem er bei der Präsidentschaftswahl 2008 unterlegen ist, und George W. Bush, der ihn bei den Vorwahlen 2000 besiegt hat, würdigen. Trump ist nicht eingeladen.

Das politische Vermächtnis McCains liegt nun auch in den Händen von Arizonas Gouverneur Doug Ducey. Ihm obliegt die Ernennung eines Nachfolgers. Eine mögliche Kandidatin: Cindy McCain, die ihren Mann 1980 heiratete und bei beiden Kandidaturen zur Präsidentschaft aktiv unterstützte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2018)

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