Wer hat an der Uhr gedreht? Das böse Deutschland

(a) APA/dpa
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Die hohe deutsche Beteiligung an der Befragung der EU-Kommission zur Abschaffung der Zeitumstellung könnte der Brüsseler Behörde noch Kopfzerbrechen bereiten. Denn eine ewige Sommerzeit ist nicht überall gleich beliebt.

Die öffentliche Konsultation zur obligatorischen Umstellung von Winter- und Sommerzeit und umgekehrt, die die EU-Kommission Anfang Juli lanciert hat, dürfte der Brüsseler Behörde noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Und zwar aufgrund des überragenden Erfolges der Befragung. 4,6 Millionen EU-Bürger haben an der Online-Umfrage teilgenommen - so viele wie nie zuvor.

Doch anstatt zu jubeln, übt man sich im Bürokomplex Berlaymont, dem Hauptquartier der Kommission, in nobler Zurückhaltung. Anders als ursprünglich angekündigt, wurde das Ergebnis der Kosultation nicht gleich nach ihrem Ende Mitte August publik gemacht. Die oben genannte Teilnehmerzahl wäre bis heute unbekannt geblieben, hätte nicht eine deutsche Regionalzeitung davon Wind gekriegt. Offiziell gibt sich die Kommission nach wie vor ausgesprochen zugeknöpft.

Diese Zurückhaltung kann mehrere Gründe haben. Eine Möglichkeit ist, dass Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Ergebnis der Konsultation bei seiner jährlichen Rede zur Lage der Union, die er Mitte September im Straßburger Plenum des Europaparlaments halten wird, feierlich verkünden will. Die andere Möglichkeit: Das offenbar sehr eindeutige Ergebnis - so sollen 80 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Zeitumstellung votiert haben - stellt Juncker und Co. vor ein Dilemma. Denn dieses Ergebnis scheint eine ziemliche Unwucht zu haben: Von den 4,6 Millionen ausgefüllten Fragebögen sollen nämlich mehr als drei Millionen in Deutschland abgegeben worden sein.

Dieses Ungleichgewicht ist politisch heikel, denn eine ewige Sommerzeit ist nicht überall gleich beliebt. Im Westen Europas geht die Sonne später unter als im Osten. Und wo die Dunkelheit ohnehin später anbricht, ist die herbstliche Umstellung von Sommer- auf Normalzeit weniger deprimierend - und ihre Abschaffung weniger dringlich.

Angesichts der hohen Beteiligung wird Brüssel wohl nicht umhin kommen, sich eine gesetzliche Initiative zur Abschaffung der Zeitumstellung zu überlegen - in der Hoffnung, dass dieser Vorschlag umgehend im europapolitischen Bermudadreieck Kommission-Rat-Europaparlament verschwinden wird. Den trotz ihrer Trivialität ist die Sommerzeit ein explosives Thema. "Berlin schreibt uns vor, wie wir unsere Uhren zu stellen haben!" - solche und ähnliche Schlagzeilen in süd- und westeuropäischen Boulevardblättern möchte man sich im Berlaymont-Gebäude tunlichst ersparen.

Kritische Geister werden an dieser Stelle mit Sicherheit anmerken, dass nichts und niemand die nichtdeutschen EU-Bürger daran gehindert habe, an der Befragung zur Zeitumstellung teilzunehmen. Das Gegenargument ist richtig, zielt aber an der politischen Realität vorbei. Ein Beispiel gefällig? Es war nicht Deutschland, das Griechenland dazu genötigt hatte, jahrelang zu hohe Schulden zu machen, sondern die Griechen selbst. Doch als es darum ging, gegen das Spardiktat zu protestieren, malten Demonstranten in Athen nicht ihren eigenen Volksvertretern den Hitlerbart auf, sondern lieber Angela Merkel.


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