Kanzler Kurz glättet in Kiew nach Einladung von Putin zu Kneissls Hochzeit die Wogen. Anders als der Außenministerin vertraut man „Sebastian“.
Kiew/Moskau. Begrüßt wurde Bundeskanzler Sebastian Kurz auf dem Flughafen von drei Frauen, die Brot und Salz in Händen hielten – ein in slawischen Ländern verbreiteter Brauch, mit dem man Gäste willkommen heißt.
Es war eine wohlwollende Geste in schwierigen Zeiten. Nach der Einladung von Wladimir Putin zu Karin Kneissls Hochzeit hatte es aus Kiew harte Kritik am undiplomatischen Verhalten Österreichs gesetzt. Kurz' Entschluss, eilig in die Ukraine zu fahren und Kiew seine Unterstützung zu versichern, wurde dagegen geschätzt. Oder wie Außenminister Pawlo Klimkin am Dienstagmorgen zu Journalisten in Kiew sagte: „Sebastian ist ein Freund der Ukraine.“ Als Außenminister müsse er politisch korrekt bleiben, erklärte Klimkin weiter zum Thema Putin-Einladung: „Dann sage ich, dass das für mich ein ganz großer Fehler war.“
Kurz absolvierte bei seiner eintägigen Visite ein dichtes Programm. Nach dem Arbeitsfrühstück mit Klimkin besuchte er den Kiewer Bürgermeister, Vitali Klitschko, in dessen Amtssitz auf der Prachtstraße Kreschtschatik.
Symbolischer Maidan-Besuch
Danach besichtigte er den Unabhängigkeitsplatz, den Maidan, sowie die Allee der Himmlischen Hundertschaft. Dort werden die im Jänner und Februar 2014 bei Zusammenstößen mit der Polizei getöteten Maidan-Aktivisten geehrt. Der Besuch des Orts, an dem vor knapp fünf Jahren die klare, von Moskau nicht gewollte Westorientierung der Ukraine ihren Ausgang nahm, ist von hoher symbolischer Bedeutung. Zumal Kurz nach Kiew auch in seiner Eigenschaft als EU-Ratsvorsitzender gekommen ist.
Präsident Petro Poroschenko, den Kurz anschließend traf, war zweierlei wichtig: Einerseits signalisiert der Staatschef, der sich im nächsten Jahr Wahlen stellen muss, mit jedem Besuch aus der EU der eigenen Bevölkerung, dass die Ukraine sich weiter nach Westen bewegt – auch wenn real die Reformbereitschaft empfindlich geschrumpft ist. Andererseits gab er Kurz seine Wunschliste mit: weiteres Festhalten der EU an den eben verlängerten Russland-Sanktionen, Anregung zu mehr Investitionen und humanitärer Hilfe.
Ausdrücklich bedankte sich Präsident Poroschenko dafür, dass sich dank Regierungsunterstützung Kinder aus dem Kriegsgebiet in Österreich erholen können. Und er erwähnte namentlich Herbert Stepic, dessen Charity-Organisation die Kosten für die Renovierung eines Waisenhauses für schwerbehinderte Kinder nahe Charkiw getragen hatte.
Keine Journalistenfragen
Bei der Pressekonferenz wurde Kurz dann wieder an das Reizthema erinnert, wegen dem die Visite durchaus dringlich gewesen war. „Keine Fußball-WM, keine Kosakenhochzeit kann den russischen Aggressor stoppen“, erinnerte Poroschenko und lobte Sekunden später den „Herrn Kanzler“, mit dem man eine „effektive, koordinierte Position“ teile. Vermutlich hätte die ukrainische Presse Kurz härter angefasst. Allein, es waren keine Journalistenfragen zugelassen. Auf Poroschenkos Initiative.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2018)