Agenten in Jeans und Turnschuhen

Mutmaßliche Täter von Salisbury. Moskau will erst ermitteln, wenn es in die Untersuchungen einbezogen wird.
Mutmaßliche Täter von Salisbury. Moskau will erst ermitteln, wenn es in die Untersuchungen einbezogen wird.(c) APA/Metropolitan Police
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Moskau bestreitet weiter eine Verwicklung des Kreml in die Giftattacke. Spione des Militärgeheimdienstes GRU mischen vor allem in internationalen Konflikten immer wieder mit.

Moskau. Russische Behörden weigern sich weiter beharrlich, die neuen Vorwürfe der britischen Behörden ernst zu nehmen. London hatte am Mittwoch Fahndungsfotos und die Namen zweier Männer veröffentlicht, die den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia im März in Salisbury verübt haben sollen. Die beiden Männer im Freizeitoutfit seien russische Staatsbürger und Agenten des Militärgeheimdienstes GRU. Sie sollen mit gefälschten Pässen von Moskau nach Großbritannien gereist sein, gab die Polizei bekannt.

London geht davon aus, dass ein Verbrechen dieser Art nur mit dem Gutheißen der russischen Staatsspitze möglich gewesen sei. Wladimir Putin sei letztverantwortlich, heißt es.

„Russophobe“ Erfindungen

Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow bezeichnete gestern die Vorwürfe als unzulässig und haltlos. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa, die just am Vortag auf Facebook über eine Tanzeinlage von Premierministerin Theresa May hergezogen war, zog die Echtheit der Fahndungsfotos in Zweifel.

Das russische TV-Publikum soll wohl weiterhin überzeugt werden, dass die britischen Vorwürfe nichts weiter als „russophobe“ Erfindungen sind. In gewohnter Abwehrhaltung übten sich auch die staatlichen Medien. Ein Autorenbeitrag der Nachrichtenagentur RIA Nowosti mokierte sich etwa darüber, dass die Agenten mit öffentlichen Verkehrsmitteln an den Tatort fuhren: „Offenbar hat der GRU nicht genügend Mittel, die es seinen Agenten erlauben würden, ein Auto zu mieten, um weniger auffällig unterwegs zu sein.“

All diese Äußerungen deuten auf wenig Bereitschaft zur Kooperation. Der Kreml will nach den beiden Verdächtigen, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, nur nach einer offiziellen Anfrage aus Großbritannien suchen lassen. Und er wiederholte die früher bereits von Moskau gestellte Forderung nach einer umfassenden Einbindung in die Untersuchungen – was Großbritannien wiederum ablehnt.

Der Militärgeheimdienst GRU steht nicht zum ersten Mal im Zentrum der Aufmerksamkeit einer internationalen Affäre. GRU-Offiziere mischten in mehreren Konflikten im postsowjetischen Raum und aktuell in Syrien mit.

Strafe für GRU-Verräter?

Bei der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und im nachfolgenden Krieg in der Ostukraine sollen laut investigativen Recherchen GRU-Kader aktiv gewesen sein. So soll der mutmaßliche Verantwortliche für den Abschuss des Passagierflugs MH17 über eine einschlägige Geheimdienstbiografie verfügen.

Die Gründung des Militärgeheimdienstes geht auf das Jahr 1918 zurück. Der Dienst mit Hauptsitz Moskau ist im Ausland tätig. Er verfügt über mehrere nach geografischen Weltregionen aufgeteilte Departments. Der GRU untersteht dem russischen Generalstab und dem Verteidigungsminister. Der Chef der Militäragenten, Igor Korobow, ist in den USA mit Sanktionen belegt.

Über finanzielle Ausstattung und Anzahl der Mitarbeiter gibt es keine öffentlich verfügbaren Informationen. Skripal war ebenfalls für den GRU tätig, bevor er vom britischen Geheimdienst MI6 enttarnt wurde und vermutlich Dutzende Agenten in Europa verraten hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

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