SPÖ: Die verschobene Parteiöffnung

Wurde am Montag einstimmig zur neuen SPÖ-Klubchefin im Parlament gewählt: SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner.
Wurde am Montag einstimmig zur neuen SPÖ-Klubchefin im Parlament gewählt: SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner. (c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Partei will die von Christian Kern geplante Statutenreform nun doch (noch) nicht beschließen. Die hätte einfachen Mitgliedern mehr Rechte bringen sollen. Deshalb gibt es Kritik.

Wien. Die SPÖ will das Erbe, das Christian Kern hinterlassen hat, offenbar nicht weitertragen. Die Statutenreform, durch die sich die Partei öffnen sollte, wurde bei der Präsidiumssitzung klammheimlich abgeblasen. Die Organisationsreform wird am Bundesparteitag am 24. November nun doch nicht beschlossen. Zur Freude der einen und zum Ärger der anderen.

Hinter der Aktion dürfte federführend die Wiener SPÖ stecken. Deren Chef, Michael Ludwig, hat die Pläne bereits in der Vergangenheit bekrittelt und angesichts der neuen Führung unter Pamela Rendi-Wagner offenbar seine Chance, die Reform zu kippen, gewittert. Verhindern wollte Ludwig vor allem die Amtszeitklausel für arrivierte Funktionäre. Nach zehn Jahren im Amt hätten sie für eine Wiederwahl eine Zweidrittelmehrheit gebraucht. Nach Kritik aus den Ländern hätte diese, anders als ursprünglich geplant, aber ohnehin nur noch für National- und EU-Abgeordnete gelten sollen.

„Schwächt Glaubwürdigkeit“

Die SPÖ-Parteispitze, die die plötzliche Absage der Organisationsreform bei ihrem Auftritt am Sonntag noch geheim hielt, war am Montag, nach Bekanntwerden des Vorhabens, um Beruhigung bemüht: „Es ist ein Verschieben“, sagte Rendi-Wagner. Keine endgültige Absage. Man werde, schrieb Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda via „Parteipost“ an die Mitglieder, die Organisationsreform „weiter fortsetzen – allerdings ohne Zeitdruck“. Beim Parteitag in zwei Jahren soll die überarbeitete Variante beschlossen werden.

Das änderte wenig an der Verärgerung so mancher Genossen. Immerhin hat die SPÖ die Mitglieder vor dem Sommer in einer groß angelegten und laut beworbenen Befragung über die Änderungen abstimmen lassen. Von den 37.000 Teilnehmern haben sich damals mehr als 70 Prozent dafür ausgesprochen.

Dafür gab es Gründe. Denn die bisherige SPÖ-Führung wollte Parteimitgliedern (und zum Teil sogar Gästen) mehr Rechte gewähren. Sie sollten etwa in einer Urabstimmung über Koalitionsabkommen im Bund entscheiden. Durch sogenannte Projektinitiativen hätten sie inhaltlich mehr mitreden dürfen. Außerdem sollte es ihnen erleichtert werden, Mitgliederbefragungen zu erzwingen. Insgesamt wollte die SPÖ etwas basisdemokratischer werden.

Nun soll das Ergebnis der Mitgliederbefragung, wie Drozda es in seinem Schreiben formulierte, nur noch „Richtschnur unserer Entscheidung“ sein. Das scheint vielen Genossen zu wenig zu sein. Etwa dem Parteinachwuchs. Die Sozialistische Jugend, der Studentenverband VSStÖ, die Junge Generation und die Gewerkschaftsjugend kündigten Widerstand in den SPÖ-Gremien an. Es sei Zeit, „die Reform endlich zu beschließen“, denn die sei „in Stein gemeißelt“. Denn wer seine Mitglieder befrage, „nur um deren Meinung dann zu ignorieren, schwächt seine eigene Glaubwürdigkeit“, heißt es in einem Schreiben der Jungen.

Scharfe Worte kamen auch aus der gewohnt kritischen Wiener Sektion 8 der SPÖ. Es gebe nur einen machtpolitischen Grund, diese Reform zu verschieben – „und, mit Verlaub, den haben wir satt“, erklärte die Sektion via Twitter. Dort meldete sich auch Andreas Babler, der Traiskirchner Bürgermeister, zu Wort: „Wenn die Bundespartei den Antrag zum neuen Parteistatut nicht einbringen will, wird es halt wer anderer tun.“ Das sei „eine Frage des Respekts“ gegenüber 37.000 Parteimitgliedern.

„Husch pfusch vermeiden“

Die Parteivertreter aus den Ländern sprangen SPÖ-Chefin Rendi-Wagner am Montag nach und nach öffentlich bei. Mit der Entscheidung, die Strukturreform zu verschieben, werde „eine Husch-pfusch-Aktion vermieden“, hieß es aus Niederösterreich. „Nicht dramatisch“ findet man das Ganze in Salzburg. Und als „legitim“ bezeichneten den Vorgang (wortident) sowohl die Tiroler als auch die burgenländische und steirische SPÖ.

Bei den Steirern ist das durchaus überraschend. Denn immerhin hat der steirische Landesparteichef, Michael Schickhofer, federführend an der Entwicklung des neuen Statuts mitgearbeitet. Der dürfte aber besänftigt worden sein. In dem Trubel ging am Montag nämlich eine weitere personelle Weichenstellung nahezu unter: Rendi-Wagner wurde nicht nur einstimmig zur neuen SPÖ-Klubobfrau gewählt. Sondern auch der steirische Ex-Infrastrukturminister Jörg Leichtfried zu ihrem Stellvertreter ernannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2018)

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