Half McKinsey Saudiarabien dabei, Kritiker mundtot zu machen?

Das saudische Königshaus steht nach dem Tod von Regimekritiker Jamal Khashoggi unter Kritik.
Das saudische Königshaus steht nach dem Tod von Regimekritiker Jamal Khashoggi unter Kritik.APA/AFP/FAYEZ NURELDINE
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Die "New York Times" hatte über einen folgenschweren McKinsey-Bericht in Saudiarabien berichtet. Für den deutschen Grünen-Politiker Özdemir Grund genug, die Zusammenarbeit in Deutschland zu beenden.

Dass das saudiarabische Königshaus seine Kritiker nicht gerade mit Samthandschuhen anfasst, macht der Tod des Journalisten Jamal Khashoggi erneut deutlich. US-Medien berichteten am Wochenende von mehreren Maßnahmen der Saudis, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Dabei soll das Königshaus auch mit dem international renommierten Beratungsunternehmen McKinsey zusammengearbeitet haben, schreibt die "New York Times".

Es soll demnach einen McKinsey-Bericht für die saudische Führung gegeben haben, der die öffentliche Meinung zu den rigiden Sparmaßnahmen im Jahr 2015 analysierte. McKinsey stellte fest: Drei Personen seien für das negative Stimmungsbild verantwortlich. Nach der Veröffentlichung des Berichts wurde einer der drei verhaftet, der zweite sagte, dass die Regierung zwei seiner Brüder verhaftet habe und sein Mobiltelefon gehackt habe, und der dritte berichtete, dass sein Twitter-Konto geschlossen worden sei.

McKinsey: Bericht "nicht für Behörden erstellt"

Das Beratungsunternehmen McKinsey erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der Zeitung, man sei entsetzt, dass der Bericht möglicherweise herangezogen worden sei um einzelne Personen zu verfolgen. Der Bericht sei nicht für irgendwelche Behörden erstellt worden und man werde untersuchen, wer das Dokument mit wem geteilt habe.

Die Zusammenarbeit von McKinsey mit Saudiarabien könnte für das Unternehmen nun aber auch wirtschaftliche Konsequenzen haben. Zumindest fordert das der prominent deutsche Grünen-Politiker Cem Özdemir. "Aus meiner Sicht ist es für die Bundesrepublik Deutschland nicht tragbar, mit dieser Beratungsfirma zusammen zu arbeiten, solange die Vorwürfe nicht restlos aufgeklärt sind. Ich fordere daher die laufenden Beauftragungen von McKinsey auszusetzen", sagte Özdemir dem "Spiegel". Die deutsche Regierung lässt sich häufig und in verschiedenen Ressorts von McKinsey beraten. Der Grünen-Politiker fordert das deutsche Kabinett auf, die Rolle von McKinsey im Zusammenhang mit dem von der "New York Times" genannten Fall gespielt hat. "Während dieser Prüfung, sollten alle Aufträge an die Firma ausgesetzt werden", so Özdemir im "Spiegel".

Wie zuvor schon der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD), machte sich auch Özdemir dafür stark, die Rüstungsexporte nach Saudiarabien zu stoppen.

Siemens-Chef sagte Reise nach Saudi-Arabien ab

Nach längerem Zögern verzichtet nun auch Siemens-Chef Joe Kaeser auf seine geplante Reise nach Saudi-Arabien. Kaeser teilte am Montag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, er ziehe seine Zusage für eine Investorenkonferenz in dem Königreich in dieser Woche zurück.

Auch andere Größen aus Politik und Wirtschaft machen einen Bogen um das Treffen. Absagen kamen unter anderem von US-Finanzminister Steven Mnuchin, IWF-Chefin Christine Lagarde und den Chefs von Deutscher Bank, HSBC und Credit Suisse.

Troll-Fabriken

US-Medien berichteten am Wochenende außerdem über Saudiarabiens Online-Armee gegen Kritiker. Das Regime habe auch versucht, einen mutmaßlichen Spion innerhalb des Unternehmens Twitter zu installieren, berichtet die "New York Times" am Sonntag. Eine "Troll-Fabrik" in der saudischen Hauptstadt Riad sei eingerichtet worden, um mit gefälschten Accounts, Fake News und massiven Kommentierungen die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Bereits im Jahr 2010 habe Saudiarabien mit einer Kampagne in den sozialen Medien begonnen, um die Regimekritiker online zu belästigen. Saud Al-Qahtani, ein Berater von Kronprinz Mohammed bin Salman, habe die Strategie dahinter verfasst, heißt es in dem Bericht der "New York Times". Al-Qahtani war einer jener Berater, die nach dem Eingeständnis vom Tod des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi entlassen worden waren.

Kritiker online niedermachen

In der "Troll-Fabrik" in Riad sollen laut dem Zeitungsbericht hunderte junge Männer arbeiten, die im Internet nach kritischen Stimmen über Saudiarabiens Führung suchen und dann mit Online-Kommentaren versuchen, diese herunterzumachen und einzuschüchtern. Auch der im saudischen Konsulat in Istanbul getötete Khashoggi sei auf Twitter derart unter Druck gesetzt worden. Die Männer seien über Inserate auf Twitter angeworben worden, wo ihnen versprochen wurde, sie könnten 10.000 saudische Rial (rund 2350 Euro) nur durch Tweets verdienen. Wer sich meldete habe erst dann vom politischen Hintergrund der Arbeit erfahren. Viele Bewerber hätten sich dann nicht mehr getraut, den Job abzulehnen, um nicht selbst als Dissidenten zu gelten, heißt es im US-Zeitungsbericht.

>> Der Artikel im "Spiegel"

(APA/Reuters)

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