Italien: Wenn Bürger für Schulden zahlen

Italien sitzt auf Schulden von über 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Italien sitzt auf Schulden von über 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. (c) REUTERS (Alessandro Bianchi)
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Die Deutsche Bundesbank schlägt Rom vor, dass vermögende Italiener für die Schulden ihres Landes haften sollen. Auch der IWF spielte einst mit solchen Gedanken.

Wien. Für viele Italiener wäre es wohl der ultimative Albtraum. Für die Deutsche Bundesbank scheint es hingegen ein probates Mittel zu sein, um potenzielle Risken aus dem italienischen System zu nehmen: die Einführung von Zwangsanleihen.

In einem Gastkommentar für die „FAZ“ schlägt der Leiter der Abteilung Öffentliche Finanzen bei der Deutschen Bundesbank, Karsten Wendorff, eine solche Maßnahme vor. „Die italienische Bevölkerung wäre verpflichtet, die Solidaritätsanleihen zu erwerben, und zwar beispielsweise in Abhängigkeit vom Nettovermögen der Haushalte“, heißt es da. Bediene Italien seine Schulden wie versprochen und zahle eine angemessene Rendite, sieht Wendorff die italienischen Haushalte zudem nicht belastet. Da die Bürger das Problem dann gewissermaßen mittragen, hätten sie auch ein starkes Eigeninteresse an soliden Staatsfinanzen und einer entsprechenden Politik, lautet die Logik.

Schon einmal hat ein ähnlicher Vorschlag für großen Wirbel gesorgt. Nur kam er damals nicht von einer nationalen Notenbank, sondern vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Oktober 2013 veröffentlichte die Organisation einen Bericht namens „Taxing Times“, in dem die Autoren eine einmalige Zwangsabgabe auf alle privaten Vermögen in der Höhe von zehn Prozent vorgeschlagen hatten. Mit einer solchen Sondersteuer könnte, so der IWF damals, die Verschuldung der Euroländer auf das Niveau vor dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise reduziert werden. Man verwies damals auch auf Beispiele aus der Vergangenheit.

Als Bankkunden bluteten

Der IWF freilich versuchte sofort zu kalmieren. Es handle sich um ein rein theoretisches Gedankenspiel, „es gibt keine solche Forderung“. Allerdings gab es zu dieser Zeit auch Experten, die dieser Idee durchaus etwas abgewinnen konnten. Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sagte etwa, dass eine Vermögensabgabe für sehr hoch verschuldete Länder durchaus sinnvoll sein könnte. Die Voraussetzung dafür sei aber ein „beträchtliches“ Finanzvermögen der Bürger. Die ganze Diskussion spielte sich damals in einer höchst sensiblen Phase ab.

Nur wenige Monate vor der Veröffentlichung des Berichts, wurden nämlich die Vermögenden Zyperns zur Kasse gebeten. Der Bankensektor war im Zuge des Schuldenschnitts in Griechenland in Schieflage geraten, das Land konnte am Ende nur mithilfe internationaler Geldgeber gerettet werden. Unter anderem mussten Sparer der Bank of Cyprus mit einer Einlage von über 100.000 Euro auf 47,5 Prozent ihres Kapitals verzichten, sie erhielten dafür Anteile an der Bank. Die Einbeziehung von Sparguthaben war eine Bedingung der Kreditgeber, zu denen auch der IWF zählte. Analysten schätzen, dass unter anderem russische Unternehmer vor der Verhängung der Zwangsabgabe rund 30 Mrd. Euro auf zypriotischen Banken liegen hatten. Diese sollte die Abgabe in erster Linie treffen. Zypern hatte sich als Steueroase positioniert.

Stresstest am Freitag

Selbst in Italien gab es bereits eine einmalige Zwangsabgabe für Sparer – während der Währungskrise 1992 unter der Regierung Giuliano Amato. Sie betrug sechs Promille auf Bankguthaben. Das Manöver diente der Regierung dazu, die Finanzen zu sanieren.

Ob es nun wieder so weit kommt, sei dahingestellt. Fakt ist, dass die Ratingagentur S&P den Ausblick für Italien von „stabil“ auf „negativ“ senkte. Italien sitzt auf einem Schuldenberg von über 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Für 2019 plant das Land ein Defizit von 2,4 Prozent statt 0,8 Prozent. Brüssel liegt mit Rom deshalb im Clinch. Die Regierung zeigte sich bisher aber nicht bereit, einzulenken. Die Entwicklung könnte vor allem die Banken des Landes belasten, weil sie hohe Bestände an italienischen Staatsanleihen halten. Verlieren sie an Wert, „schlagen sie eine Delle in die Kapitalposition der Banken“, warnte EZB-Präsident Mario Draghi. Am Freitag wird sich zeigen, wie gut die Institute kapitalisiert sind. Da veröffentlicht die EZB die Ergebnisse ihres Bankenstresstests. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2018)

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