Im Bann des Kürbiskinos

Mit "Halloween" begann 1978 Jamie Lee Curtis große Karriere.
Mit "Halloween" begann 1978 Jamie Lee Curtis große Karriere.Universal Pictures (Mary Evans)
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"Halloween" kehrt ins Kino zurück und damit das Fest, das ein ganzes Filmgenre prägte.

Mit der Wiederkunft von Halloween jährt sich auch die beständige Kritik am importierten Festtag, einem der umstrittensten Fixpunkte im Kalender des deutschsprachigen Raums. Manche sehen in ihm eine Art alternativen Karneval, der Fortgeh anlass, Verkleidungsvorwand und Deko-Vorgaben für feucht-fröhliche Abendgesellschaften bietet. Andere monieren seinen kommerziellen Charakter und wittern die Amerikanisierung europäischer Gebräuche wie Allerheiligen und Allerseelen, in deren keltischen Urformen er seinen Ursprung hat.

"Halloween" 2018. Der elfte Teil der Horrorreihe - wieder mit Jamie Lee Curtis.
"Halloween" 2018. Der elfte Teil der Horrorreihe - wieder mit Jamie Lee Curtis.Universal Pictures (Ryan Green)

Doch die, denen der Gruselrummel wirklich am Herzen liegt, schätzen ihn nicht nur als wohlfeile Lustbarkeit. Für sie füllt er eine Lücke, in die kein anderer Festtag passt. Am Halloween-Abend feiert man nämlich das, was zu feiern für gewöhnlich widersinnig scheint: Angst. Gänsehaut gilt plötzlich als Emblem geteilter Menschlichkeit. Dabei geht es so gut wie nie um die Angst vor dem Fremden oder dem Anderen; stattdessen zittern alle augenzwinkernd vor neutralen Schreckgestalten, vor Monstern und Gespenstern, Zombies und Killerclowns. Und im Unterschied zum beklemmenden Nervenkitzel, den etwa der Treibjagdterror eines Perchtenlaufs auslösen kann, haben die Schauer, die einem an Halloween den Rücken runterlaufen, etwas Beruhigendes.Angeblich geht die Verkleidungsfacette Halloweens auf religiöse Traditionen aus Irland zurück: Menschen kostümierten sich, um bösen Geistern, die in den Wochen vor der Wintersonnenwende besonders umtriebig waren, weiszumachen, man sei bereits einer von ihnen.

Vielleicht erfüllt das gemeinsame Sichten von Horrorfilmen ja einen ähnlichen Zweck: Indem man sich demonstrativ dem Spuk auf dem Bildschirm stellt, zollt man tatsächlichen Ängsten symbolisch Tribut. Und gedenkt jener schlaflosen Nächte, die besagte Filme einem früher beschert haben.

Michael-Myers-Kostüm
Michael-Myers-KostümGetty Images

Zu den langlebigsten Alptraumlieferanten des Kinos zählt der Maskenmörder Michael Myers, messerschwingende Galionsfigur der "Halloween"-Filmreihe. Sein Debüt gab er in deren Hauptwerk, John Carpenters "Halloween" aus dem Jahr 1978.Die Simplizität seiner ikonischen Aufmachung verblüfft bis heute: Ein grauer Overall und eine bleiche, ausdruckslose Latexmaske, der man kaum anmerkt, dass ihre Physiognomie den Zügen des Star-Trek-Darstellers William Shatner nachempfunden ist mehr brauchte es damals nicht, um das Blut in den Adern einer ganzen Generation von Zuschauern gefrieren zu lassen.

Im Politthriller "Die drei Tage des Condor" wird Paranoia verhandelt.
Im Politthriller "Die drei Tage des Condor" wird Paranoia verhandelt.Paramount Pictures

Der effektvolle Minimalismus von Myers Erscheinungsbild ist bezeichnend für Carpenters Film, dessen Formbewusstsein das Horrorgenre prägte wie nur wenige Arbeiten seiner Ära. Mit einer ungewöhnlichen Mischung aus kühler bildsprachlicher Distanz und einnehmender Empathie für seine Protagonistin Laurie Strode (Jamie Lee Curtis in ihrer Durchbruchsrolle) drängte der damals erst 30-jährige Regisseur Hitchcocks Suspense-Methoden ins existentialistische Extrem.

Vorgartenidyll

Zudem pflanzte Carpenter seinen Schocker perfiderweise mitten in den idyllischen Vorgarten der USA: Das Grauen keimt in "Halloween" in Haddonfield, einem beschaulichen Reihenhaus-Arkadien. Hier ermordet der kleine Michael eines nachts ohne ersichtlichen Grund seine Schwester. Hierher kehrt er Jahre später zurück, entflohen aus der Psychiatrie. Nun treibt er sein Unwesen als stummer und gefühlloser Schlitzer, der es besonders auf die schutzlose Jugend abgesehen hat: Ein Sinnbild der dunklen Aspekte des amerikanischen Daseins, die hinter makellosen Rasenflächen und suburbanen Fassaden schwelen. Paranoia, die in 1970er-Thrillern wie "The Parallax View" und "Die drei Tage des Condor" politisch verhandelt wurde, gerinnt hier zu einer schemenhaften Geisterfigur, die hinter Hecken hervorlugt und sich am Ende buchstäblich in Luft auflöst. Nur Carpenters berühmte Titelmusik hallt im 5/4-Takt nach, ein dunkles, verstörendes Echo.

"Night of the Demons". Jugendliche werden von Dämonen besessen.
"Night of the Demons". Jugendliche werden von Dämonen besessen.Meridian Productions

"Halloween" gilt heute als Markstein des Slashergenres und zeitigte zahllose Epigonen. Einige von ihnen, etwa "Freitag, der 13.", entwickelten ein fruchtbares Eigen leben. Doch Carpenters Klassiker begründete auch eine andere, weniger prominente, aber angesichts seines Titels naheliegende Untergattung des Horrorkinos: den Halloween-Film. Bald begannen auch andere Horrorproduktionen Hollywoods, ihre innerfilmische Datierung entsprechend anzupassen. Allen voran die zigfachen "Halloween"-Fortsetzungen, die sich jedoch meist eher mit Blut als mit Ruhm bekleckerten. Hervorzuheben wäre der dritte Teil der Reihe, der als einziger nichts mit Michael Myers zu tun hat: Seine Mystery-Mär handelt von einem infamen Spielzeugkonzernchef, der Kinderkunden mit Killermasken massakrieren will als Opferritual zwecks Rückführung des Halloween-Fests zu heidnischen Wurzeln.

Leichenhaus als Partyhölle

Wer sich nach originelleren "Halloween"-Eskapaden sehnt, muss nicht lange suchen. Ein besonderes Gustostückerl heißt wie der bissige Spruch, mit dem Kinder um Konfekt bitten: "Trick 'r Treat", Süßes oder Saures. Der schwarzhumorige Streifen von Michael Dougherty serviert Letzteres und treibt mit Entsetzen Scherz, wobei ein garstig-putziger Kobold als Maskottchen und Bindeglied dient. Eher komödiantisch geht es auch der 1980er-Kulthit "Night of the Demons" an, in dem ein Leichenhaus zur buchstäblichen Partyhölle mutiert.

Doch nicht nur das Horrorgenre hat brauchbare Halloweenfilme in petto: Mit "Nightmare Before Christmas" gibt es auch ein sehenswertes, familientaugliches Stopptrickmusical. Darin entführt der "Kürbis könig" einer Gruselwelt namens "Halloween Town" den Weihnachtsmann, weil er dessen Beliebtheit neidet. Auch im Autorenkino blitzt das Fest hin und wieder auf. Zugegeben, Orson Welles hat nie was zum Thema gedreht. Aber immerhin wurde sein legendäres "Krieg der Welten"-Hörspiel ursprünglich an Halloween gesendet, was maßgeblich zu dessen Panikwirkung beigetragen haben dürfte.

Und die schottische Arthaus-Regisseurin Lynne Ramsay zehrt für eine ihrer gelungensten Sequenzen ebenfalls von der eigentümlichen Aura des Gruselfests: Im Psychodrama "We Need to Talk About Kevin" lässt sie Tilda Swinton am Rande des Nervenzusammenbruchs im Auto durch ihre Nachbarschaft trudeln, während am Straßenrand allerlei vermummte Fratzen vorbeihuschen und der Text von Buddy Hollys scheinbar völlig deplatziertem Soundtrack-Sehnsuchtssong "Everyday" einen ausgesprochen unheimlichen Unterton annimmt: "Everyday, it's a-gettin closer..."

(Nicole Rivelli)

Tipp

"Halloween". Im elften Teil der ikonischen Horrorreihe ist auch Jamie Lee Curtis, die mit John Carpenters Original von 1978 berühmt wurde, wieder dabei. Inszeniert hat den neuen Film David Gordon Green ("Stronger", "Die Wahlkämpferin", "Pineapple Express").

Seit 25. Oktober im Kino.

("Die Presse-Kulturmagazin", 19.10.2018)

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