Donald Trump darf keinen Freibrief bekommen

Donald Trump im Wahlkampf-Endspurt.
Donald Trump im Wahlkampf-Endspurt.REUTERS
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Die Republikaner sind zur Trump-Partei mutiert. Bei den Kongresswahlen sollten die Amerikaner darum die Demokraten als Gegengewicht stärken.

Anthony Scaramucci plauderte neulich auf CNN, dem von seinem Exchef punzierten „Feindsender“, aus der Schule. Gerade einmal elf Tage hatte sich „Mooch“, ein Berserker, im Juli 2017 in seinem Job als Kommunikationsdirektor im Weißen Haus gehalten. Donald Trump habe die Lüge zum Prinzip erhoben, kritisierte der frühere Wall-Street-Mann – übrigens, ohne dass sich die große Mehrheit seiner gottgläubigen Anhänger daran stoßen würde. Der Präsident, so forderte er, müsse die Rhetorik zurückdrehen. Er habe die Lügen doch gar nicht nötig und solle stattdessen auf seine Bilanz verweisen – als da wären: die florierende Wirtschaft, die niedrige Arbeitslosigkeit, die Besetzung des Obersten Gerichtshofs mit zwei Konservativen und manches mehr.

Davon ist in der Endphase des Wahlkampfs zu den Kongresswahlen am Dienstag indessen nicht die Rede. Mit Donald Trump ist – mangels Interesses und intellektueller Neugier – keine zivilisierte Auseinandersetzung über Zukunftsthemen, Innovationen oder Reformen zu führen. Dies ist die Lektion aus seiner Präsidentschaftskampagne vor zwei Jahren, in der er Gift und Galle versprüht hat – erst gegen seine republikanischen Kontrahenten und danach gegen Hillary Clinton. Und auch jetzt dominiert die schrille Polemik über Immigration und die sogenannte Flüchtlingskarawane in Mexiko.

Um die Trump-Wähler – seine Hardcorefans – zu mobilisieren, jettet der Präsident im Endspurt noch einmal kreuz und quer durchs Land, als stünde er selbst zur Wahl. Eine Ausrede für eine etwaige Wahlschlappe der Republikaner hat er jedoch vorsorglich formuliert: Ihm sei keine Verantwortung anzulasten, da sein Name ja auf keinem Wahlzettel aufscheine. Das kann er allerdings niemandem weismachen: Die Kongresswahl ist in erster Linie ein Referendum über seine Amtszeit. Zu sehr übertönt sein marktschreierisches Gedröhn die nationale Debatte.

Hassverbrechen wie die abgefangenen Paketbomben auf notorische Trump-Kritiker und der Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburgh haben Trumps Angstkampagne, die mit jedem Tag bizarrer wird, nur kurz gestoppt. Bis zu 15.000 US-Soldaten – mehr als derzeit in Afghanistan stationiert sind – will der Oberbefehlshaber, sehr zur Irritation des Pentagons, an die mexikanische Grenze entsenden. Er beschwört einen Notstand herauf, als würde tatsächlich eine Invasion einer Migrantenarmee aus Mittelamerika bevorstehen, von der rechte Internetforen raunen. Und als wäre dies noch nicht genug, bringt Trump einen Schießbefehl und die Abschaffung des Ius soli, des Geburtsprinzips für die in den USA geborenen Kinder von Ausländern, aufs Tapet.

So wüst schleudert der Präsident mit immer neuen Vorschlägen herum, die von der Verfassung nicht gedeckt sind oder vor Unwahrheiten strotzen, dass die professionellen Faktenchecker der Zeitungen kaum Schritt halten können. Immerhin: Die mediale Kontrollinstanz funktioniert. Jene, die ihm in die Parade fahren wie Paul Ryan, der scheidende republikanische Speaker des Repräsentantenhauses – nominell Nummer drei der US-Hierarchie –, kanzelt er unwirsch ab.

Die „Grand Old Party“, die Partei Abraham Lincolns, die sich anfangs gegen den Außenseiter gesträubt hat, ist zur Trump-Partei mutiert. Kaum einer, der noch Widerstand gegen den hemmungslosen Populisten und Nationalisten leistet, der zwei Grundprinzipien der Republikaner unterminiert: den Freihandel und die politisch-militärische Allianz mit dem Westen. Nach dem Tod seines Antipoden John McCain, und da die Senatoren Bob Corker und Jeff Flake wegen Chancenlosigkeit gegen Trump-Parteigänger nicht mehr kandidieren, bleiben nur vereinzelte kritische Stimmen wie die Außenpolitikexperten Lindsey Graham und Marco Rubio.

Umso notwendiger ist es, die Demokraten als Gegengewicht zu stärken. Von Barack Obama bis Robert De Niro trommeln sie: „Geht zur Wahl!“ Sollte die Opposition nicht wenigstens das Repräsentantenhaus erobern, würde Trump über fast uneingeschränkte Macht in Exekutive, Legislative und Justiz verfügen. Angesichts der Extratouren des irrlichternden Präsidenten wäre dies ein zu großes Risiko für die USA und die Welt.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2018)

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