Steigende Zinsen wirken bremsend auf die Aktienkurse. Die US-Notenbank Fed hält zwar an ihrem Zinserhöhungskurs fest. Ihr Chef sieht jedoch keine so starke Notwendigkeit mehr für steigende Zinsen wie im Oktober.
Wien. Nachdem Notenbank-Chef Jerome Powell gesprochen hatte, schossen die Aktienmärkte am Mittwochabend in die Höhe. Die wichtigsten US-Indizes schlossen mehr als zwei Prozent im Plus. Es war eine Erleichterungsrallye nach den schweren Kursverlusten der vergangenen Wochen.
Ein Grund für die jüngsten Turbulenzen war nämlich – neben zahlreichen politischen Unsicherheiten – die Sorge, dass die US-Zinsen weiter angehoben werden könnten, und zwar so stark, dass sie Konjunktur und Aktienmärkte bremsen. Der Leitzins in den USA liegt nach mehreren Anhebungsschritten inzwischen in der Spanne von 2,0 bis 2,25 Prozent, während er in Europa nach wie vor null beträgt. Beides wird kritisiert. Die Europäische Zentralbank könnte im Fall eine Krise wenig tun, meinen Kritiker, weil sie ihr Pulver bereits verschossen habe. Bei der Geldpolitik der USA sorgen sich hingegen viele, dass die Zinsen bald über das „neutrale“ Niveau (bei dem ihre Höhe weder stimulierend noch bremsend für die Wirtschaft wirkt) hinausschießt und das der Hochkonjunktur den Garaus macht.
Diese Ängste hat Powell zerstreut. Dabei hat er nichts gesagt, was darauf schließen ließe, dass die für Dezember erwartete Zinsanhebung ausbleiben würde. Die Aussage, dass bald das „neutrale Niveau“ erreicht sei, interpretierten viele aber dahingehend, dass der Zinsanhebungskurs moderater ausfallen könnte als befürchtet. Anfang Oktober hatte Powell noch gemeint, die Fed sei weit vom neutralen Zinsniveau entfernt.
Dem Arbeitsmarkt geht es gut
Doch dann kam es zu einer scharfen Korrektur an den Börsen. Freilich: Das Wohlergehen der Börsen ist nicht die primäre Aufgabe der US-Notenbank. Vielmehr soll sie Vollbeschäftigung und stabile Preise sichern. Sprich: In Zeiten schwacher Konjunktur versucht sie, mit Zinssenkungen den Unternehmen und dem Arbeitsmarkt auf die Sprünge zu helfen. In Zeiten von Vollbeschäftigung, steigenden Löhnen und steigenden Preisen versucht sie, mit Zinserhöhungen eine Überhitzung zu verhindern. Zuletzt lag die Arbeitslosenquote bei 3,7 Prozent und war so niedrig wie lange nicht mehr – kein Grund, stützend einzugreifen. Doch hat der Inflationsdruck zugenommen: Im Oktober betrug die Teuerungsrate 2,5 Prozent – nach 2,3 Prozent im September. Die Fed, die die Zinsen allein heuer schon drei Mal erhöht hat, hatte angekündigt, das bis Ende 2019 noch vier Mal tun zu wollen.
Und nun? „Powells Äußerungen legen den Schluss nahe, dass möglicherweise nicht mehr so viele Zinserhöhungen kommen werden, wie Investoren angenommen haben“, sagte Ökonom Jack Ablin von Cresset Wealth Advisors in Chicago zu Reuters. (b. l.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2018)