Niederösterreichs FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl suchte offenbar gezielt nach schwierigen Jugendlichen für das nun geschlossene Asylquartier in Drasenhofen.
Das sonst so viel zitierte Miteinander der niederösterreichischen Regierungsparteien wird dieser Tage empfindlich durch einen Stacheldrahtzaun gestört. Dieser prangt auf einem Baustellenzaun rund um eine Flüchtlingsunterkunft in Drasenhofen, wo der für Asyl zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl „auffällige“ jugendliche Asylwerber untergebracht hat. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will den Zaun, der eher Symbol- als Schutzcharakter hat, abmontieren lassen.
Waldhäusl will ihn behalten – und bekommt Unterstützung von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl: „Einen Wachdienst und einen Zaun – das alles gibt es auch in Traiskirchen. Wenn man aufs Land rausfährt, hat fast jede Liegenschaft einen Zaun“, sagte er zu „Österreich“. Zwischen den Asylunterkünften in Traiskirchen und Drasenhofen gibt es wesentliche Unterschiede: In Traiskirchen gibt es keinen Stacheldraht. Die Flüchtlinge dürfen das Gelände verlassen – und zwar allein.
Weil das und vieles Weitere nicht gegeben ist, löste Mikl-Leitner die Unterkunft in Drasenhofen nach Bekanntwerden der Vorwürfe am Freitag und einem Bericht der Jugendanwaltschaft nun auf. Jene 14 minderjährigen Flüchtlinge, die hier einquartiert waren, sind am Samstag großteils in Caritas-Quartiere übersiedelt.
Schlechter hygienischer Zustand
Der Bericht der Jugendanwaltschaft liegt der „Presse“ vor: Das Haus sei in einem sehr schlechten hygienischen Zustand, es gebe kaum Einrichtungsgegenstände, Kästen, Tische und Sessel fehlten. Nur Betten seien notdürftig aufgestellt worden. Dass das Quartier per Stacheldraht eingegrenzt ist, wird ebenso bemängelt wie, dass die Jugendlichen das Gelände nur für „sehr begrenzte Zeit“ und nur in Begleitung verlassen dürfen. „Dies erwecke den Anschein eines Freiheitsentzuges.“ Es gebe keinerlei Beschäftigung – der Kontakt zu Vertrauenspersonen werde unterbunden. Adäquate Betreuung sei nicht gegeben – das Kindeswohl akut durch „Freiheitsentzug, mögliche Gesundheitsgefährdung, keine pädagogische Betreuung und Stacheldraht“ gefährdet, heißt es in dem Bericht. Den Auftrag für die Betreuung des Quartiers hatte Waldhäusl an einen privaten Betreiber vergeben, der seit 2015 etliche Quartiere in Niederösterreich gewerblich betreibt – und auch schon mehrfach negativ aufgefallen ist.
Eine adäquate Betreuung war für die Jugendlichen in dem Asylheim nicht gegeben.
Aus dem Bericht der Jugendanwaltschaft
Der Betreiber hat sich auf die Betreuung von Härtefällen spezialisiert, wie etwa Kranke, Behinderte, Traumatisierte – oder eben auch schwierige Jugendliche. Das ist lukrativ: Für Personen mit erhöhtem Betreuungsbedarf gibt es einen erhöhten Tagsatz. In Drasenhofen seien laut Waldhäusl straffällige Jugendliche untergebracht worden – solche, die andere Einrichtungen gar nicht mehr zurücknehmen wollten.
Land sucht Problemfälle
Dem widersprechen die vorigen Quartiergeber dieser Jugendlichen aber vielfach. Es sei eben nicht so gewesen, dass man sich an das Land gewandt hätte, weil man mit den Jugendlichen nicht zurecht gekommen sei, heißt es. Im Gegenteil: Man sei erstaunt gewesen, dass diese plötzlich unter fadenscheinigen Vorwänden abgeholt worden seien – und das, obwohl sie teils in Ausbildung oder Deutschkursen gewesen seien.
Einrichtungen, die auf „schwierige“ Jugendliche spezialisiert sind, gibt es übrigens schon – Zäune gibt es dort nicht. Man versucht, den Problemen mit einem erhöhten Einsatz von Sozialarbeitern und Psychologen Herr zu werden. „Wir haben den Eindruck, dass der Landesrat Waldhäusl eher auf Bewachung als auf Betreuung setzt“, sagt Christoph Riedl von der Diakonie. Scharfe Kritik an Drasenhofen kam auch von Caritas und Asylkoordination. Letztere bezeichnete die Unterkunft als Straflager. Die Volksanwaltschaft hat eine Prüfung eingeleitet. Die SPÖ wird Mikl-Leitner auffordern, Waldhäusl das Ressort zu entziehen. Dass das passiert, ist allerdings nicht zu erwarten.
("Die Presse am Sonntag", 2. Dezember 2018)