Cum-Ex-Skandal: Ermittlungen gegen deutschen Investigativjournalisten

Der Chefredakteur des Recherchenetzwerks "Correctiv" steht wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen unter Verdacht der Hamburger Staatsanwaltschaft.

In Zusammenhang mit Recherchen zu milliardenschweren "Cum-Ex"-Aktiendeals über die Schweiz ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Investigativ-Reporter Oliver Schröm. Es gehe um den Verdacht auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, sagte eine Sprecherin der Behörde am Dienstag.

Das Verfahren gegen Schröm, der Chefredakteur des Recherchenetzwerks "Correctiv" ist, sei im Mai von der Staatsanwaltschaft in Zürich übernommen worden, seit Anfang Juni ermittle die Abteilung für Pressesachen in Zusammenhang mit dem Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb. Zuständig sei die Hamburger Behörde, weil Schröm in der Hansestadt lebe, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach.

Versuch, Journalismus zu kriminalisieren

Die Ermittlungen gehen laut Schröm auf eine Veröffentlichung von 2014 zurück. Zwei Mitarbeiter einer Schweizer Bank seien damals verhaftet worden. Sie wurden verdächtigt, Schröms Informanten zu sein und Betriebsgeheimnisse verraten zu haben. Auch der Reporter geriet ins Visier der Schweizer Justiz. Die Ermittlungen seien ein Versuch, Journalismus zu kriminalisieren, sagte Schröm.

Die Berufung auf das Wettbewerbsrecht sei lediglich ein "Hebel", um unliebsame Recherchen zu unterbinden und Whistleblower sowie Journalisten einzuschüchtern, ergänzte "Correctiv"-Publisher David Schraven, der auch Gründer des Recherche-Netzwerks ist. Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), sprach von einem Angriff auf die Pressefreiheit. Die Hamburger Staatsanwaltschaft mache sich zum "Handlanger" der Schweizer Justiz.

An diesem Mittwoch will der Rechtsausschuss des Bundestages über ein neues Gesetz zu Geschäftsgeheimnissen beraten. Der aktuelle Entwurf gefährde den Informantenschutz und die journalistische Arbeit, erklärte "Correctiv". Ohne Whistlerblower gebe es bei einem Fall wie den "Cum-Ex-Akten" keine Chance auf Aufklärung, sagte der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick (Grüne).

55 Milliarden Schaden

Unter Federführung von Schröm hatten im Oktober 18 Medien in Europa Recherchen zu den "Cum-Ex"-Geschäften veröffentlicht, bei dem sich europaweit der Schaden auf mehr als 55 Mrd. Euro belaufen soll. Deutschland hatte das Steuerschlupfloch 2012 geschlossen.

Schröm ist seit Februar 2018 Chefredakteur des gemeinnützigen Recherchezentrums "Correctiv". Zuvor hatte er für das ARD-Magazin "Panorama" und für das Magazin "Stern" gearbeitet. Dort hatte er 2010 das Investigativ-Team gegründet und anschließend geleitet. Er ist außerdem Autor und Koautor von mehreren Enthüllungsbüchern über Terrorismus, Nachrichtendienste und Politikskandale.

Bei den Aktiengeschäften wurden rund um den Dividendenstichtag Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch rasch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war für den Fiskus nicht mehr ohne weiteres klar, wem die Papiere gehörten. Die Folge: Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren.

Auch in Österreich wurde der Fiskus mit den Cum-Ex-Deals betrogen. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) kündigte zuletzt eine endgültige Berechnung des Gesamtschadens bis Ende des ersten Quartals 2019 an. "Fest stehen bisher nur ungefähr sechs Millionen Euro als Schaden - alles Übrige beruht auf Potenzialen und Einschätzungen." Aufgerollt werden 200 Fälle.

(APA/dpa-AFX)

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