Wer sind in der Affäre um die Sendung "Am Schauplatz" die nützlichen Idioten der FPÖ? Die Neonazis? Der ORF? Oder ausschließlich jene, die über Manipulationen nachdenken?
In der umstrittenen ORF-Doku „Am rechten Rand“, die sich dem Leben zweier Skinheads und einer FPÖ-Veranstaltung in Wiener Neustadt widmet, gab es eine bemerkenswerte Szene. FPÖ-Chef Strache wollte sich mit den beiden jungen Männern fotografieren lassen. „Wo ist eure Kamera?“, fragte er. Einer der Skinheads deutete auf das ORF-Team: „Das ist unsere Kamera“.
Der Typ irrt sich. Neonazis besitzen keine ORF-Kamera und führen auch nicht Regie. Oder? Anweisungen wurden in dieser Filmsequenz nur von ORF-Reporter Ed Moschitz gegeben. Von ihm war zu hören: „Jetzt könnts alles zum Herrn Strache sagen, was ihr sagen wollts.“ Die entscheidende Frage in dieser seltsamen, von FPÖ und ORF mit sittlicher Entrüstung inszenierten Farce lautet aber: Wer wurde von wem benützt? Darf man sie stellen?
Allein diese Überlegung genügt offensichtlich bereits, um punziert zu werden. Andrea Schurian, die kluge Kultur-Chefin des „Standard“, hat dort am Freitag einen treffsicheren Kommentar abgegeben. Sie wandte sich gegen „Bezahljournalismus“ (und bedauerte, dass der FPÖ damit in die Hände gespielt werde). Ersteres genügte dem Kommunikationschef des ORF, Pius Strobl, um am Samstag unter der Überschrift „Geht's noch, Frau Schurian?“ zu einer untergriffigen Reaktion auszuholen. Er unterstellte Schurian eine „offenbar nicht aufgearbeitete Beziehungskrise zum ehemaligen Arbeitgeber“. Sie habe „die FPÖ-Propaganda-Schraube weitergedreht“. Da spielt jemand verkehrte Welt.
Geht's noch, Herr Strobl? Darf sich außer den moralisch anscheinend unantastbaren Herren vom Küniglberg niemand Gedanken über Manipulationen machen? Sind „mehrfach preisgekrönte ORF-Redaktionen“ tabu? Strobl vermutet auch, dass das Redaktionsgeheimnis ausgehebelt werden solle. Das ist eine ernst zu nehmende Sache, aber was ist geheim an Filmmaterial, für das Neonazis ihre Persönlichkeitsrechte ohnehin mit jeweils 100 Euro abgegolten erhielten? Wenn es denn nur 100 Euro waren. Im „Kurier“-Interview mit Conny Bischofberger behauptete einer der Skins diesen Samstag: „(...)Insgesamt waren es schon an die 700 Euro, die wir bekommen haben. Auch das einschlägige G'wand hat uns der ORF-Redakteur bezahlt.“ Ist nun auch der „Kurier“ so verblendet wie „Standard“ und „Presse“? Herr Strobl, Herr Wrabetz, auch ohne Abgeltung der Manipulationsgebühr: Jetzt könnts alles sagen, was ihr sagen wollts.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2010)