Brexit: "EU hat May gedemütigt"

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In Großbritannien wird der Versuch der britischen Premierministerin, in Brüssel weitere Zugeständnisse der EU in den Brexit-Verhandlungen zu erreichen, als Rückschlag gedeutet.

Das Urteil der Briten ist vernichtend: Die britische Premierministerin Theresa May war am Donnerstag nach Brüssel gereist, um dort für weitere Zugeständnisse der EU-27 für das Brexit-Abkommen zu erreichen. Denn die Chefin der Konservativen kämpft um ihr Überleben: Der von ihr verhandelte Brexit-Deal ist in London höchst umstritten. "Es sieht so aus, als hätte die Premierministerin darin versagt, bedeutungsvolle Veränderungen zu ihrem Brexit-Deal zu liefern", twitterte der Brexit-Sprecher der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer.

Auch in der Presse wurde der Versuch Mays, Zusicherungen in Brüssel zu erreichen, als Rückschlag gedeutet. Die Londoner "Times" befand, die EU habe May "gedemütigt". Dem "Guardian" zufolge war die Reaktion aus Brüssel auf die Bitte der Premierministerin ein "vernichtender Schlag" für ihre Hoffnungen, den Deal zu retten.

May hatte am Mittwoch ein Misstrauensvotum in ihrer Fraktion überstanden. Der mit der EU ausgehandelte Vertrag über einen geregelten Brexit ist im Königreich so umstritten, dass er im Unterhaus derzeit keine Mehrheit findet und May die Abstimmung auf Januar verschoben hat. Hauptstreitpunkt ist vor allem eine Garantieerklärung für Irland. Die EU will mit einer sogenannten "Backstop"-Klausel verhindern, dass es zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit eine harte Grenze mit Kontrollen gibt - auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern.

Kurz drängt London zur Ratifizierung

Mays konservative Kritiker befürchten dadurch aber eine langfristige Bindung an die EU. May war mit dem Ziel nach Brüssel gereist, die harte Haltung der EU-Partner in dem Punkt abzuschwächen. EU-Vertreter auf der anderen Seite berichteten von wachsendem Unverständnis über das Brexit-Chaos in Großbritannien und unklare Vorstellungen Mays. Die EU will sich deshalb nun verstärkt auf einen Austritt ohne Abkommen vorbereiten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte Großbritannien auf, das Austrittsabkommen dringend zu ratifizieren. "Wir haben eineinhalb Jahre verhandelt und es gibt ein Austrittsabkommen, das ein gutes ist für beide Seiten", betonte er. Die EU wolle einen chaotischen Austritt ohne Abkommen vermeiden. "Großbritannien muss aber auch akzeptieren, was die roten Linien für die EU sind."

So machten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs machten in einer Gipfelerklärung am Donnerstag klar, dass es keine Nachverhandlungen am Austrittsvertrag geben kann. Sie versichern Großbritannien aber, dass nach dem Austritt am 29. März 2019 so schnell wie möglich an einem Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien gearbeitet wird. Dieses solle 2021 greifen. Sollte der Vertrag nicht rechtzeitig in der 2020 endenden Übergangszeit fertig werden, würde die Garantie - der sogenannte Backstop - für Irland allerdings greifen. Die EU-27 versichern aber, dass dies nur so lange gelte bis dann ein Freihandelsabkommen steht. Niemand habe Interesse daran, dass dieser von den Brexit-Befürwortern befürchtete Bachstop lange genutzt werden müsse.

Vize-Premier nicht zufrieden

Der britische Vize-Premier David Lidington konterte am Freitag, dass die Zusicherungen nicht reichten und kündigte weitere Gespräche Mays mit EU-Regierungschefs an. Diese traf am Freitag in Brüssel bilateral mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammen.

(APA/dpa/Reuters)

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