Kurz an Kickl: "Ich habe ihm sehr klar meine Meinung gesagt"

Kanzler Kurz rief Innenminister Kickl aus Davos an.
Kanzler Kurz rief Innenminister Kickl aus Davos an.APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC
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"Das Recht hat der Politik zu folgen": Mit diesen Worten sorgte Innenminister Kickl für Kritik von der Opposition und erntete eine Schelte des Justizministers. Kanzler Kurz veranlassten sie zu einem Telefonat aus Davos.

Der verbale Schlagabtausch zwischen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP) geht in die nächste Runde - mit prominenter Beteiligung. So betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag beim Weltwirtschaftsforum in Davos, dass er mit Kickl heute ein Telefonat geführt habe. "Ich habe ihm sehr klar meine Meinung gesagt und glaube, die akzeptiert er auch", sagte der Regierungschef.  "Klar ist, dass die Verfassung, die Grundprinzipien der Europäischen Union sowie die Grund- und Menschenrechte Gültigkeit haben und dass diese im Regierungsprogramm klar verankert sind", betonte Kurz. Diskussionen über die Abschiebung von straffälligen Asylwerbern gebe es aber auch in anderen Staaten.

In der Europäischen Union müsse es jedenfalls gelingen, die Entscheidungsfindung zu erleichtern, führte der Kanzler weiter aus. Ebenso müssten sich aber alle an gemeinsam gefasste Beschlüsse halten, "sei es im Bereich der Budgetpolitik, beim Dublin-Abkommen, oder auch der Rechtsstaatlichkeit". Es sei allerdings problematisch, andere als moralisch unterlegen darzustellen.

Der Hintergrund: Kickl hatte am Dienstagabend im ORF-"Report" angekündigt, Grundregeln hinterfragen zu wollen, denn, man müsse darauf achten, nicht über die eigenen Gesetze zu stolpern. Vielfach seien dies in den Augen Kickls "irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt aus ganz anderen Situationen heraus entstanden", über die er eine Debatte führen möchte: "Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht", bekundete er - und erntete umgehend Kritik seitens der Opposition sowie Rückendeckung aus der FPÖ.

Aus den Reihen des Koalitionspartners ÖVP meldete sich Justizminister Josef Moser zu Wort, der betonte: "In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle." In der österreichischen Verfassung sei klar geregelt, dass die gesamte Verwaltung nur auf Basis der Gesetze ausgeübt werden dürfe. "Ich bin mir sicher, dass auch der Bundesminister Kickl sich daran halten wird", so Moser, mit dem Kickl seit dem Jahreswechsel einen öffentlichen Zwist lebt - Thema: Asyl.

Kickl an Moser: "Ich bin keine Personal-Leasingfirma"

Am Donnerstag nutzte nun Kickl eine Pressekonferenz anlässlich einer Jahresbilanz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, um Moser Konter zu geben: Er sei nicht begeistert davon, Personal an Moser abzutreten, wie dieser das angeregt hatte: "Ich bin keine Personal-Leasingfirma", so der Ressortchef.  Schon bisher habe der Justizminister ja Unterstützung von ihm unterhalten, etwa als es beim letzten Doppel-Budget um mehr Planstellen ging, meinte Kickl. Auch sei seine Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) für die Taskforce Strafrecht zur Verfügung gestellt worden.

Kritik an seinen eigenen Aussagen, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, wies der Innenminister zurück. Einerseits bekannte sich Kickl zu 100 Prozent zum Legalitätsprinzip, andererseits verwies er darauf, dass die Gesetze eben von der Politik gemacht würden und diese dann von der Justiz vollzogen würden. In puncto "Rütteln an der Europäischen Menschenrechtskonvention" hielt der Innenminister fest, dass Gesetze immer wieder überprüft und allenfalls novelliert würden.

EMRK auf einen Blick

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist Bestandteil des Primärrechts der EU. Damit ist Österreich nicht nur völkerrechtlich, sondern auch unionsrechtlich an die EMRK gebunden. Ein Abschied aus der EMRK würde die Zugehörigkeit in der EU in Frage stellen - und wäre somit wohl nicht ohne Volksabstimmung möglich, erklärt der frühere Verfassungsrichter Rudolf Müller.

Würde Österreich den Europarat verlassen, um sich aus der EMRK verabschieden zu können, bedeute dies im Hinblick auf die möglichen Folgen für die EU-Zugehörigkeit wahrscheinlich eine Gesamtänderung der Bundesverfassung. Und über eine solche muss eine Volksabstimmung abgehalten werden.

Dass die EMRK Teil des Unionsrechts ist, ist im Artikel 6 des EU-Vertrags festgehalten. In Absatz 3 ist zu lesen: "Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts."

(APA/hell)

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