Der erst 19-jährige Jurij Rodionov wird in Abwesenheit von ÖTV–Superstar Dominic Thiem am Freitag gegen Chile sein Daviscup-Debüt feiern. Jürgen Melzer, 37, traut dem Debütanten einiges zu: „Er hat extrem viel Potenzial.“
Salzburg/Wien. Als Dominic Thiem vergangene Woche aus gesundheitlichen Gründen für den Daviscup gegen Chile in Salzburg (Freitag, ab 15 Uhr, live in ORF Sport plus) absagte, stand Stefan Koubek vor einem gehörigen Problem. Der Kärntner suchte für den Länderkampf händeringend nach einem zweiten Einzelspieler neben Dennis Novak, die Auswahl aber war dezent überschaubar.
Sebastian Ofner weilt in Australien, Gerald Melzer hat nach einer Sprunggelenksverletzung gerade erst das Training aufgenommen. Und der für das Doppel vorgesehene Jürgen Melzer hat sein letztes Einzel vor über drei Monaten in der Wiener Stadthalle bestritten und seine Singlekarriere eigentlich beendet. Also rückte Jurij Rodionov in den Fokus, mit der Zusage des 19-Jährigen stellte sich bei Koubek Erleichterung ein. Rodionov gilt als Rohdiamant, am Montag hat er erstmals die Top 200 der Weltrangliste geknackt und ist aktuell bereits die Nummer vier Österreichs. Der Sohn zweier Weißrussen wurde in Nürnberg geboren, im Alter von zwei Jahren folgte die Übersiedlung nach Deutsch-Wagram. Der Bezug zu Österreich war hergestellt, „ich habe mich nie als Weißrusse gesehen“.
Dennoch, österreichischer Staatsbürger ist Rodionov erst seit Juni 2015 – dreieinhalb Jahre später wird der Linkshänder am Freitag vor rund 3500 hoffnungsfrohen Fans in der Salzburgarena sein Daviscup-Debüt geben. „Ich habe nur ein Ziel: Ich will gewinnen, ich will meinem Land Punkte bringen“, sagt Rodionov, der bis 2017 zu den weltbesten Junioren gezählt nd vor zwölf Monaten noch auf Platz 497 der Weltrangliste gestanden hat.
Dass der Niederösterreicher im Plansoll ist, belegt die Tatsache, dass aktuell nur vier jüngere Spieler vor ihm rangieren. Zu den etwas älteren Stefanos Tsitsipas (20 Jahre, ATP 12), Denis Shapovalov (19, ATP 25) und Alex De Minaur (19, ATP 28) blickt der Schützling von Andreas Berenz auf. „Ich bin jetzt noch nicht dort, wo sie schon sind, aber auch ich habe das Potenzial für weit vorn. Ich muss nur die letzten Prozent aus mir herauskitzeln“, sagt er der „Presse“.
Feinschliff bei Nadal
Der Saisonstart des Teenagers verlief durchaus vielversprechend, beim letztwöchigen Challenger im französischen Rennes besiegte er mit Lokalmatador Adrian Mannarino erstmals einen Top-50–Mann. Das sei auch auf die gute Saisonvorbereitung zurückzuführen, die Vermarktungsagentur Octagon ermöglichte Rodionov im Dezember ein einwöchiges Gastspiel in der Rafa Nadal Academy in Mallorca.
Der ÖTV-Daviscup-Spieler in spe trainierte unter anderem mit dem Norweger Casper Ruud und dem Spanier Jaume Munar – ebenfalls zwei aufstrebende Talente. Großmeister Nadal stand zum damaligen Zeitpunkt verletzungsbedingt nicht auf dem Platz.
Jürgen Melzer, der am Samstag mit Oliver Marach das Doppel bestreiten könnte, hat Rodionov in Rennes spielen gesehen. Seine Expertise: „Das ist ein guter Spieler mit extrem viel Potenzial.“ In den beiden Einzeln gegen die Chilenen Nicolás Jarry (ATP 41) und Christian Garín (ATP 95) ist Rodionov dennoch Außenseiter. Durch die Absage Thiems sei die Aufgabe „um einiges schwieriger“ geworden, glaubt Routinier Melzer, „aber wir alle wollen nach Madrid“. In Spaniens Hauptstadt steigt vom 18. bis 24. November das Finalturnier, mit einem Erfolg über Chile wäre Österreich dafür qualifiziert.
Daviscup Kader
Österreich: Dennis Novak (ATP 154), Jurij Rodionov (ATP 197), Jürgen Melzer (ATP 290/ATP 122 im Doppel), Oliver Marach (ATP 8/Doppel), Philipp Oswald (ATP 72/Doppel).
Chile: Nicolás Jarry (ATP 41), Christian Garín (ATP 95), Marcelo Tomás Barrios (ATP 331), Julio Peralta (ATP 44/Doppel), Hans Podlipnik-Castillo (ATP 91/Doppel).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2019)