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Wer kann in Andreas Gabalier einen Faschisten finden?

Formt Gabalier am Plattencover ein Hakenkreuz mit seinem Körper?
Formt Gabalier am Plattencover ein Hakenkreuz mit seinem Körper? (c) Koch Universal
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Die Münchener Faschingsgilde Narrhalla will Andreas Gabalier mit dem Karl-Valentin-Preis auszeichnen. Dessen Erben protestieren – und eine Boulevardzeitung spricht gleich von „Nazi-Streit um Gabalier“.

„Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken“, nannte Martin Kippenberger 1984 ein abstraktes Gemälde aus verschiedenfarbigen Flächen, die in unterschiedlichen Winkeln zueinanderstehen – und tatsächlich nirgendwo wirklich ein Hakenkreuz ergeben (siehe unten). Freilich: Wenn man mit dem geistigen Auge den einen oder anderen Balken ein wenig verschiebt, und, vor allem, wenn man ein Hakenkreuz sehen möchte . . .

An diese ernste Neckerei erinnerte ein Plattencover von Andreas Gabalier bzw. die Reaktion darauf: „Volks-Rock'n'Roller“ (2011) zeigte den Sänger mit Ziehharmonika auf einem Felsen, in skurriler Pose, so, dass man die Form, die seine gewinkelten Arme und Beine ergeben, als Hakenkreuz erkennen kann, wenn man will. Er selbst stritt naturgemäß jede Absicht ab, und der Vorwurf, er habe bewusst mit einem NS-Symbol gespielt, ist so stark, dass man wohl unter dem Motto „In dubio pro reo“ darauf verzichten sollte. Auch dass er im Lied „Biker“ die Zeile „Italiener, Deutsche und Japaner, grüßen tun wir uns“ sang – also just die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg aufzählte –, kann man mit gutem Willen als Zufall werten.

Man kann aber auch ein „Spiel mit faschistischen Symbolen“ darin sehen, wie das nun der Nachlassverwalter der Familie Karl Valentins tat: „Es ist nicht hinzunehmen“, sagte er, „dass Gabalier mit seinem offenkundigen Spiel mit faschistischen Symbolen, seiner Frauenfeindlichkeit und seiner Homophobie mit dem Namen Karl Valentin in Verbindung gebracht wird.“ In diesem Sinn protestiert er dagegen, dass Narrhalla, eine seit 1893 in München bestehende Karnevalsgesellschaft, Gabalier am Wochenende mit dem Karl-Valentin-Orden auszeichnen will, den u. a. schon Bruno Kreisky, Ephraim Kishon und Thomas Gottschalk bekommen haben.

Narrhalla erklärte darauf, Valentin habe sich als Volkssänger betrachtet, und Gabalier sei ein „Volkssänger 2.0“, er verbinde volkstümliche Musik mit Stadionrock. Ohne es auszusprechen, stützt sich der Narrenverein da wohl auf Gabaliers Selbstcharakterisierung als „Volks-Rock'n'Roller“, die sich im gleichnamigen Lied unrein auf „Lederhosenjodler“ reimt. Unter diesem Logo repliziert er lustvoll sämtliche Heimatklischees, etwa im Stück „Kleine heile steile Welt“: „Nix is mehr daham als ein Schnitzel aus der Pfann'“, heißt es darin, „In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand“, und: „Vaterunser beten, Holzscheitelknien, nach einem Zeltfest im Rausch am Heuboden die Unschuld riskieren.“

Solche Bekenntnisse sind gewiss konservativ, man kann sie auch reaktionär nennen, aber sie sind nicht faschistisch – genauso wenig wie Gabaliers Äußerungen zur Geschlechterproblematik („Man hat es nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht“). Schon gar nicht sind sie nationalsozialistisch. Aber es ist keine Überraschung, dass die Zeitung „Österreich“ die Schlagzeile „Nazi-Streit um Gabalier“ gewählt hat, auch wenn ihrem eigenen Bericht die Wörter Nazi und Nationalsozialismus gar nicht vorkommen. Sie folgt damit der Gier nach möglichst aufgeladenen, schreienden Wörtern – und dem Streben danach, überall gleich das schlichteste Muster zu erkennen. Sie bedient den Mechanismus der Mustererkennung, dem man auch folgt, wenn man in Kippenbergers Bild ein Hakenkreuz erkennt. Gabalier kann es recht sein: Er muss nur mehr empört sagen, dass er doch kein Nazi sei, und hat damit für jede weitere Debatte wertvolle Unschuldspunkte gesammelt.

Das Bild „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken“ von Martin Kippenberger:

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