Deutsche PKW-Maut: "Musterbeispiel für indirekte Diskriminierung"

Autobahn A40 Ruhrschnellweg in Essen Strecke mitten durch die Innenstadt ist von einem moeglichen
Autobahn A40 Ruhrschnellweg in Essen Strecke mitten durch die Innenstadt ist von einem moeglichenimago/Jochen Tack
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Heimische Europarechtler kritisieren die EuGH-Einschätzung als eine Bedrohung der Grundfesten des EU-Rechts.

Heimische Europarechtler sehen die Einschätzung des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur deutschen Pkw-Maut kritisch. So haben nach der Kritik des Innsbrucker Europarecht-Experten Walter Obwexer am Mittwoch auch Experten der Universitäten in Linz und Salzburg heute, Donnerstag, Bedenken geäußert.

Die deutsche Pkw-Maut sei ein "Musterbeispiel für indirekte Diskriminierung", sagte Franz Leidenmühler von der Universität in Linz. Sollte der EuGH der Empfehlung des Generalanwalts folgen, wären "jeder Diskriminierung über Steuern Tür und Tor geöffnet". Dies hätte dramatische Folgen für die Grundfesten des EU-Rechts, denn "das Diskriminierungsverbot ist der rote Faden des Unionsrechts", so Leidenmühler. Dann "würde sich der Gleichbehandlungsanspruch für alle Unionsbürger grundlegend verändern", kommentierte auch Stefan Griller vom "Salzburg Centre of European Union Studies" der Universität Salzburg die Einschätzung des Generalanwalts.

Studiengebühren für Nicht-Österreicher

Die Experten teilen auch die Sorgen von Obwexer, dass eine solche Rechtsprechung zu Rückschlägen seitens anderer EU-Länder führen könnte. Österreich könnte dann im Gegenzug nicht nur über eine Pkw-Maut nach deutschem Modell, sondern beispielsweise auch über die Einführung von Studiengebühren für Nicht-Österreicher nachdenken. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hat am Mittwoch bereits angekündigt, die Anwendung des deutschen Pkw-Mautmodells für Österreich zu prüfen, sollte Österreichs Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) scheitern.

Dass der Generalanwalt verneine, dass überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliegt, ist für Griller "weit ab der EuGH-Judikatur". Er sieht, wie auch Leidenmühler, daher für die österreichische Klage weiterhin gute Chancen. Der EuGH wird wohl in den kommenden drei bis sechs Monaten sein Urteil erlassen.

Obwexer von der Universität Innsbruck hat die Empfehlung des Generalanwalts bereits am Mittwoch laut mehreren Medienberichten scharf kritisiert und sagte, ein solches EuGH-Urteil hätte "weit höhere Sprengkraft für den Zusammenhalt der EU als der Brexit". Obwexer hat bereits im März 2017 ein Gutachten für die damalige SPÖ/ÖVP-Regierung, welche die Klage ursprünglich eingereicht hat, zur Vereinbarkeit der deutschen Auto-Maut mit dem Unionsrecht geschrieben.

(APA)

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