Europas größte Volkswirtschaft schwächelt

Deutsche Wirtschaftsweisen halbieren BIP-Prognose und warnen vor Banken-Fusion.

Berlin. „Die fetten Jahre sind vorbei“, erklärte jüngst der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD). „Die Hochkonjunktur der deutschen Wirtschaft ist vorerst vorüber“, sagt am Dienstag auch der Chef des Sachverständigenrats Christoph Schmidt in Berlin. Die Risiken für die Konjunktur nannte er „sehr hoch“ – auch wegen der Handelskonflikte und Brexit-Wirren. Die Wirtschafsweisen haben deshalb ihre Wachstumsprognose für Europas größte Volkswirtschaft nahezu halbiert – und zwar von bisher 1,5 auf 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Zum Vergleich: Das Münchner ifo-Institut rechnet heuer mit 0,6 Prozent Wachstum, die Regierung ging bisher von einem Prozent aus. In jedem Fall liegt man damit unter dem Wert des Vorjahres, als das BIP um 1,4 Prozent zulegte.

Eine Rezession ist nicht zu erwarten – die Binnennachfrage ist stark – aber sie ist auch nicht ganz ausgeschlossen: „Angesichts der bereits nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik hätte eine Spirale aus protektionistischen Maßnahmen das Potenzial, die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgleiten zu lassen“, warnte der Sachverständigenrat, der seit 1963 die Regierung berät. Dass der Wirtschaftsmotor ins Stottern gerät, zeigt sich auch in der Industrie: Im Jänner schrumpfte der Auftragsbestand erstmals seit 2016.

„Würde massiv abraten“

Für Finanzminister Scholz gab es noch eine zweite schlechte Nachricht: Die Wirtschaftsweisen sprachen sich deutlich gegen eine Fusion von Commerzbank und Deutsche Bank aus, wie sie derzeit sondiert wird. Scholz gilt als ein großer Antreiber der Banken-Ehe, auch wenn er das öffentlich kleinredet.

„Ich würde massiv davon abraten, jetzt noch einen größeren nationalen Champion zu schaffen“, erklärte nun die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Die „implizite Staatsgarantie“ würde verschärft. Ganz ähnlich sah das ihr Kollege Lars Feld: „Vor allem das Problem ,too big to fail‘ sticht uns ins Auge.“ Der Bund hält auch zehn Jahre nach der Finanzkrise noch rund 15 Prozent an der Commerzbank.

Kanzlerin Angela Merkel mahnte indes politische Zurückhaltung ein: Eine Fusion sei eine „rein privatwirtschaftliche Entscheidung“. (strei/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2019)

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