Die Ereignisse in Algier und Khartum zeigen: In der arabischen Welt ist ein langfristiger politischer Prozess des Wandels im Gang.
Kairo. Die Welt der arabischen Autokraten schien in Ordnung: In Syrien behält der Diktator Assad dank militärischer Unterstützung aus dem Iran und Russland die Oberhand; in Ägypten lässt der frühere Militärchef Abdel Fatah al-Sisi die Rolle des Militärs als höchste Autorität in der Verfassung festschreiben; in den Golfstaaten werden die alten Autokraten durch eine noch skrupellosere junge Kronzprinzengarde ersetzt.
Mit Ausnahme Tunesiens stand die arabische Welt vor zwei Optionen: fortgesetztes Chaos wie etwa in Libyen oder die harte Faust eines Diktators, der für Ordnung sorgt. Auch im Westen blieb die Position der arabischen Diktaturen unangefochten. Sie verkaufen sich gut als Garanten für Stabilität, als Kämpfer gegen den Terrorismus und jüngst auch als Partner beim Eindämmen der Flüchtlingsströme.
Doch plötzlich brachen die Aufstände in Algerien und im Sudan gegen die beiden Langzeitdiktatoren Abdelaziz Bouteflika und Omar Baschir aus; die beiden Staaten waren bei der Arabellion vor acht Jahren ungeschoren davongekommen. Bouteflika wurde inzwischen entmachtet. Baschir wird sich auch nicht mehr lange halten können. Schon gibt es Gerüchte, es habe einen Militärputsch gegeben und Baschir sei zurückgetreten.
Für alle Araber, die sich vor acht Jahren den Erfolg des Arabischen Frühlings gewünscht hatten und deren Hoffnungen bitter enttäuscht worden sind, ist das Geschehen in Algier und Khartum ein erfreuliches Déjà-vu. Den Autokraten am Golf und in Ägypten treiben die neuen Entwicklungen hingegen den Angstschweiß auf die Stirn. Die große Frage, die nun im Raum steht, ist, ob es ein weiteres Déjà-vu in der Post-Bouteflika- und Post-Baschir-Zeit geben wird – oder ob die Demonstranten aus der ägyptischen Erfahrung ihre Lehren gezogen haben. Dort hat das Militär die Revolution kooptiert und am Ende jede Spur von ihr beseitigt. In Algerien wurde mit Abdelkader Bensaleh ein Interimpräsident der alten Garde und ein Spezialist für Wahlbetrug eingesetzt. Ausgerechnet er soll innerhalb von drei Monaten Wahlen organisieren. Die Clique aus Militärs, Geheimdienst- und Geschäftsleuten versucht nun, Zeit zu gewinnen.