Die Regierung plant eine Reform im Rahmen von 7,5 Milliarden Euro. Die gute Konjunktur allein finanziert sie nicht.
Wien. Möglicherweise hat die Regierung für den Überraschungseffekt tiefgestapelt. Oder sie blickt seit der Regierungsklausur Anfang des Jahres optimistischer in die wirtschaftliche Zukunft: In jedem Fall fällt das Volumen der Steuerreform weitaus höher aus, als es Anfang des Jahres in Mauerbach vorgesehen wurde. 4,5 Milliarden Euro an Entlastung kündigte die Koalition damals an.
Nun sind es doch 8,3 Milliarden geworden – wobei man auf diese Summe mit einer sehr wohlwollenden Berechnung kommt: Das Kanzleramt kalkuliert dafür den Familienbonus mit ein, der bereits in Kraft getreten ist und rund 1,5 Milliarden Euro ausmacht. Auch zusätzliche Maßnahmen zur Gegenfinanzierung wurden nicht abgezogen. Abstrahiert man sie, bleiben immerhin 7,5 Mrd. Euro übrig. Doch woher nimmt die Regierung den finanziellen Spielraum für die Reform – und wer wird dafür bezahlen?
Konjunktur
Die Regierung verlässt sich auf die Prognosen der heimischen Wirtschaftsforscher. Diese sehen weiterhin optimistisch in die Zukunft. Zwar senkte das Institut für Höhere Studien (IHS) jüngst seinen Wachstumsausblick für heuer von 1,7 auf 1,5 Prozent. Aber das ist noch immer ein guter Wert. Unangenehm ist nur, dass unser wichtigster Wirtschaftspartner, Deutschland, die Zukunft gar nicht mehr so rosig sieht. Die fünf Wirtschaftsweisen haben Mitte März ihre Prognose ziemlich dramatisch gekappt. Statt 1,5 Prozent erwarten sie heuer noch nur ein mageres Wachstum von 0,8 Prozent. Das Problem ist die Automobilindustrie. Es wird also durchaus spannend sein, ob sich die österreichische Wirtschaft tatsächlich doppelt so gut entwickeln kann wie die deutsche.
„Sparen im System“
1,8 Mrd. Euro können laut Regierung durch Budgetüberschüsse finanziert werden. Zusätzliche 2,2 Milliarden Euro sind auch schon im Finanzrahmen eingeplant. Doch das reicht nicht: Die Koalition kündigt – nicht zum ersten Mal – ein „Sparen im System“ an. Aus kommunikationstechnischer Sicht ist das komfortabel: Es klingt danach, als würden Betroffene die Einsparungen nicht spüren. Und es ist abstrakt genug, um vorerst keine genauen Maßnahmen vorlegen zu müssen. 1,5 Milliarden Euro sollen neue Einsparungen bringen. Das werden die Ministerien bei den kommenden Budgetgesprächen zu spüren bekommen. Vor allem das Verteidigungsressort forderte im Vorfeld eigentlich mehr Budget.
Zusatzmaßnahmen
ÖVP und FPÖ haben tatsächlich keine neuen Steuern bei dieser Reform eingeführt. Aber sie haben einige bereits bestehende erhöht: Ab 2020 soll die Tabaksteuer wieder jährlich valorisiert, also angehoben, werden. Damit sollen jährlich zusätzlich 40 Millionen Euro eingenommen werden. Eine höhere Besteuerung des Glücksspiels soll 50 Millionen Euro bringen. Die Koalition rechnet auch mit 200 Millionen Euro, die durch das – bereits bekannte – Digitalsteuerpaket in die Staatskasse fließen soll. Experten zweifeln allerdings an dieser Schätzung. In Zukunft könnte auch die Reduktion der Kammerbeiträge ein Thema werden, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz am Dienstagabend in der „ZiB 2“ bestätigt hat.
Kalte Progression
Die von vielen Ökonomen geforderte Abschaffung der kalten Progression wird wie erwartet nicht kommen. Und das, obwohl beide Regierungsparteien diese im Wahlkampf versprochen haben. Diese versteckte Steuererhöhung entsteht, wenn die Steuertarife nicht an die Inflation angepasst werden. Laut Berechnungen des Finanzministeriums spült die kalte Progression bis 2023 knapp 7,5 Milliarden Euro in die Taschen des Fiskus. Die Regierung kündigte an, im Wahljahr 2022 diese Maßnahme anzugehen. Doch Bundeskanzler Kurz zeigte sich am Dienstag wieder skeptisch, was eine reine Abschaffung betrifft, denn: „Das führt vor allem zur Entlastung der Besser- und Spitzenverdiener.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2019)