Triumph vor drohender Abwahl

Reactions after European Parliament elections in Vienna
Reactions after European Parliament elections in Vienna(c) REUTERS (Leonhard Foeger)
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Die ÖVP von Kanzler Kurz gewinnt die EU-Wahl klar. Die FPÖ verliert, die SPÖ stagniert. Deren Parteichefs stecken somit noch stärker im Dilemma, was den nahenden Misstrauensantrag betrifft.

Auch Ibiza hat daran nichts geändert: Österreich bleibt ein Land rechts der Mitte. Was die einen, die Freiheitlichen, verlieren, gewinnen die anderen hinzu: Die ÖVP wurde bei der EU-Wahl am Sonntag klar Erster. Die SPÖ blieb unerwartet hinter den Erwartungen und stagnierte. Die FPÖ verlor gut zwei Prozentpunkte. Die Grünen hielten mehr oder weniger das Ergebnis vom letzten Mal, die Neos auch. Die Liste Europa alias Liste Jetzt schaffte es nicht ins EU-Parlament.

Wenn Sebastian Kurz, Parteichef des Wahlsiegers, heute, Montag, im Parlament gestürzt wird, dann wird er es von einer Koalition der Verlierer der EU-Wahl aus Liste Jetzt, SPÖ und FPÖ. Für die jeweiligen Parteichefs der Sozialdemokraten und Freiheitlichen, Pamela Rendi-Wagner und Norbert Hofer, wurde das Dilemma, in einer Zwickmühle zu stecken, damit noch größer: Denn das, was die eigenen Funktionäre wollen, muss nicht unbedingt das sein, was die Wähler wollen. Wie die EU-Wahl nun gezeigt hat. Für die kommenden Nationalratswahlen brauchen Rendi-Wagner und Hofer aber beides: Funktionäre, die rennen und motiviert sind. Und Wähler, die ihre Parteien auch wählen.

Für die Noch-Kanzler-Partei, die ÖVP, war die EU-Wahl jedenfalls ein großer Erfolg. Die Idee, einen internen Vorzugsstimmenwahlkampf zu veranstalten – mit dem Duell des schwarzen Othmar Karas gegen die türkise Karoline Edtstadler als Highlight –, hat funktioniert. Laut Meinungsforschungsinstitut Sora haben sich 74 Prozent der Wähler schon vor Ibiza entschieden. Und die Lehre aus Ibiza ist, dass die ÖVP auch diesmal – wie schon im Nationalratswahlkampf 2002 – die Stimmen der FPÖ einsammeln kann, wenn die Freiheitlichen in Schwierigkeiten geraten. Wer mit dem Kurs der Regierung grundsätzlich zufrieden war und nun nach dem FPÖ-Skandal verunsichert ist, der geht zu Sebastian Kurz und seiner ÖVP. Oder bleibt eben auch bei der FPÖ. Diese ist, angesichts des Fiaskos, mit einem blauen Auge davongekommen. Eine absolute Mehrheit schafften diese beiden Parteien zusammen aber auch bei der EU-Wahl.

Die zweiten Gewinner neben der ÖVP sind die Grünen. Werner Kogler, als er die Partei notgedrungen vor zwei Jahren übernahm als Verwalter des Übergangs, wenn nicht des Untergangs gehandelt, hat einen beachtlichen Erfolg eingefahren. Bei der letzten bundesweiten Wahl, der Nationalratswahl 2017, sind die Grünen nicht einmal mehr auf fünf Prozent gekommen, nun sind es fast so viele wie der letzten EU-Wahl, als die Grünen unter Eva Glawischnig noch im Höhenflug, ja grüner Europameister waren. Der Druck auf Werner Kogler, nun nicht ins EU-Parlament zu wechseln, sondern nahtlos als Spitzenkandidat in den Nationalratswahlkampf zu ziehen, wird entsprechend sein. Man wird es nur auch entsprechend erklären müssen, dass das EU-Parlament nun doch nicht so wichtig ist wie das nationale.

Die SPÖ kommt nicht voran

Für die SPÖ ist das Ergebnis enttäuschend. Vor allem angesichts dieser Bedingungen: Wer die FPÖ wegen möglicher Korruption abstrafen wollte, ist wohl eher zu den Grünen gegangen. Diese haben hier historisch bedingt auch mehr Glaubwürdigkeit.

Auch die Neos sind letztlich, wieder einmal, doch unter den Erwartungen geblieben. Ein allseits gelobter Wahlkampf lässt die Bäume eben auch nicht in den Himmel wachsen. Für die Neos gilt dasselbe wie bei den meisten Wahlen bisher: Sie haben sich einmal mehr als ein stabiler Faktor in der österreichischen Parteienlandschaft, als eine bürgerliche Alternative zur ÖVP, erwiesen. Nicht mehr und nicht weniger.

Nichts zu holen gab es für die Liste Jetzt. Es wird für sie möglicherweise auch bei der Nationalratswahl nichts zu holen geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2019)

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