Nordrhein-Westfalen: Nervöse Blicke nach Düsseldorf

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NordrheinWestfalen Nervoese Blicke nach(c) APN (Roberto Pfeil)
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Die Landtagswahlen könnten die schwarz-gelbe Regierung in Berlin die Mehrheit im Bundesrat kosten. Merkel und Westerwelle fürchten sich vor Denkzettel. Am Sonntag wird gewählt.

Berlin. Das größte deutsche Bundesland, die einzige Landtagswahl in diesem Jahr, die erste nach dem Antritt der schwarz-gelben Regierung in Berlin: Wenn in Nordrhein-Westfalen am Sonntag gewählt wird, dann hat das Ergebnis auch enorme Bedeutung für die Bundespolitik. Seit Monaten ist diese nahezu gelähmt, alle wichtigen Entscheidungen wurden mit Blick auf Nordrhein-Westfalen verschoben. Umso größer wird der Erwartungsdruck auf Berlin nach dem 9.Mai sein, endlich etwas weiter zu bringen.

Auch in Düsseldorf, wo seit fünf Jahren ebenfalls eine Koalition aus CDU und FDP regiert, ist der Frust mit den Startschwierigkeiten in Berlin zu spüren. „Die Parteien, die auf Bundesebene in der Regierung sind, werden bei den darauffolgenden Landtagswahlen häufig abgestraft“ – so beschreibt der Politologe Gerd Langguth ein „Phänomen des deutschen Föderalismus“. Die gleiche Erfahrung machten 2005 SPD und Grüne.

Bremse für Reformvorhaben

Für die Regierung in Berlin ist es nicht nur ein erster Stimmungstest nach der Bundestagswahl vom vergangenen September, die Wahl könnte konkret unangenehme Folgen haben. Denn in Nordrhein-Westfalen fällt auch die Entscheidung über die künftige Mehrheit in der Länderkammer, dem Bundesrat. Sollte in Düsseldorf Schwarz-Gelb abgewählt werden, verlieren Union und FDP dort mit einem Schlag sechs Stimmen und damit die Mehrheit. Damit würde es für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Vize, Außenminister Guido Westerwelle (FDP), viel schwieriger, ihre Wahlversprechen umzusetzen, von der Steuer- über die Gesundheitsreform bis zu Änderungen bei Hilfen für Arbeitslose (Hartz-IV-Gesetze).

Angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft sind Prognosen sehr schwierig, die möglichen Koalitionsvarianten mannigfaltig, mit unterschiedlichen Auswirkungen im Bund. Wenn Kraft Ministerpräsidentin würde, „kann es für Merkel auch innerparteilich ungemütlich werden“, so Langguth, die Kritik in der Union würde wachsen. Sie wäre aber vorläufig nicht wirklich gefährdet, da es „niemanden in der CDU gibt, der sich als Anführer eines Putsches hergäbe“.

Falls Rüttgers Ministerpräsident bleibt und eine Koalition mit den Grünen bildet, so würde zwar die Mehrheit im Bundesrat verloren gehen, Merkels Machtperspektive im Bund wäre jedoch paradoxerweise erweitert: Durch die Erprobung von Schwarz-Grün in einem bedeutenden Flächenland hätte sie bei den nächsten Bundestagswahlen eine weitere strategische Option, so der Politologe.

FDP auf dem Prüfstand

Eine – eher unwahrscheinliche – große Koalition in Düsseldorf würde zwar als partielle Niederlage der Bundesregierung angesehen, es ist laut Langguth aber auch nicht auszuschließen, dass die CDU-Chefin angesichts der politischen Schwierigkeiten in der jetzigen Regierung „mit einer Neuauflage der großen Koalition auch auf Bundesebene liebäugelt“.

Das Koalitionsklima in Berlin wäre jedenfalls schwer belastet, wenn die CDU in Düsseldorf weiter den Ministerpräsidenten stellt, die FDP jedoch aus der Landesregierung ausscheidet. Laut manchen Umfragen müssen die Liberalen sogar um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Dabei hat Parteichef Westerwelle, der selbst aus Nordrhein-Westfalen kommt, als Wahlziel „zehn Prozent plus X“ ausgegeben. Eine Niederlage würde unweigerlich innerparteiliche Debatten über seinen Führungsstil auslösen und Auswirkungen auf seinen Einfluss in der Regierungskoalition haben.

AUF EINEN BLICK

In Nordrhein-Westfalen finden am Sonntag Landtagswahlen statt, die auch für die Bundespolitik von großer Bedeutung sind. Für die Regierung in Berlin ist es die erste wichtige Testwahl. Die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers muss ihre Abwahl fürchten, in diesem Fall verlören Union und FDP ihre Mehrheit im Bundesrat.

Mit knapp 18 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland. Bis 2005 hatten in NRW 39 Jahre lang die Sozialdemokraten regiert. Nach dem Verlust des „roten Kernlandes“ warf vor fünf Jahren der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder das Handtuch und ließ die Bundestagswahl um ein Jahr vorverlegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2010)

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