NRW: Der 10. Mai als Zäsur, auch für Berlin

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Die Bundesregierung hat mit größeren Gesetzesprojekten bis nach der Landtagswahl zugewartet. Auch in Düsseldorf warten dringende Probleme.

Berlin/Düsseldorf. Der 9.Mai war seit Monaten rot angestrichen: nicht nur in den Kalendern der nordhrein-westfälischen Landespolitiker, sondern auch in denen ihrer Kollegen in Berlin. Einerseits, weil die Bundesparteichefs und andere hochrangige Vertreter zur Unterstützung x-mal nach Nordrhein-Westfalen reisten, um dort im Wahlkampf mit zu mischen. Andererseits, weil die Berliner Regierungsparteien sich bis zum 9.Mai mehr oder weniger eine Lähmung verordneten. Steuersenkungen, Gesundheitsreform, Änderungen bei der Arbeitslosenhilfe, Finanzmarktreform – seit dem Antritt von Schwarz-Gelb im vergangenen Oktober ist noch kaum etwas geschehen.

Die Strategie, mit größeren Gesetzesprojekten bis nach der NRW-Wahl zu warten, war jedoch in der Union nicht unumstritten. Seit längerem ist der Wirtschaftsflügel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unzufrieden, neuerdings hat sich eine Gruppe von Landespolitikern gebildet, die sich um das konservative Profil der CDU sorgen.

Aschewolke, Griechenland-Hilfe

Schon im Vorfeld der Wahl war klar: Ab dem 10.Mai muss die Regierung in Berlin umso höheren Erwartungen gerecht werden, das Abschneiden von Schwarz-Gelb in Düsseldorf müssen auch die Bundesparteichefs Merkel und Guido Westerwelle (FDP) mitverantwortet. Und das Regieren wird umso schwieriger, wenn Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat, der Länderkammer, verliert, worauf zuletzt alles hindeutete.

Die Bundeskanzlerin, die ursprünglich 15 Wahlkampftermine in Nordrhein-Westfalen eingeplant hatte, wurde erst durch die Aschewolke, dann durch die Griechenland-Krise gebremst. Dass ihre Regierung das von der deutschen Bevölkerung mit Argwohn betrachtete milliardenschwere Hilfspaket just am Freitag im Eilverfahren durchpeitschte, könnte so manchen Wähler noch im letzten Moment in seiner Entscheidung beeinflusst haben.

Die Nordrhein-Westfalen werden selbst von enormen Finanznöten geplagt. Das Bundesland ist mit fast 124 Milliarden Euro verschuldet. NRW wurde als deutscher „Exportweltmeister“ von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffen, die Wirtschaftsleistung sackte um 5,8 Prozent ab (bundesweit um 5 Prozent). Während die Steuereinnahmen sinken, steigen die Soziallasten. Schwimmbäder werden geschlossen oder zumindest die Wassertemperatur gesenkt, in vielen Städten müssen Bibliotheken und Theater zumachen. Die drastische Finanzlage der Kommunen, von denen etliche fast pleite sind, hat im Wahlkampf eine große Rolle gespielt. Im Prinzip ist es ein kommunales Problem, aber die Landespolitik kann davor nicht die Augen verschließen. Sie könnte etwa Zuschüsse erhöhen, ruft ihrerseits nach dem Bund. Die neue Landesregierung wird jedenfalls gefordert sein, etwas zu unternehmen. So kündigte etwa Hannelore Kraft von der SPD an, sie werde dafür sorgen, „dass die Kommunen wieder atmen können“, und spricht sich für einen Entschuldungsfonds aus.

Herausforderung Bildung

Jürgen Rüttgers (CDU), der die vergangenen fünf Jahre Ministerpräsident war, betont, dass es sich um strukturelle Probleme handle und „nicht eine Ebene die Schulden der anderen übernehmen kann“. Zugleich beantworte sich an dieser Stelle die Frage nach Steuerentlastungen: „Ich befürworte keine Steuersenkungen, die zur Schließung von Bädern führen.“

Handlungsbedarf besteht auch bei der Bildung, die in NRW seit Jahrzehnten heftig diskutiert wird und Wahlkampfthema Nummer eins war: Das dreigliedrige Schulsystem wird immer stärker in Frage gestellt, der Druck, etwas zu ändern, wächst. Seit dem Einbruch Deutschlands bei der Pisa-Studie hat sich in anderen Bundesländern viel getan, während NRW starr am alten System festhält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2010)

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