Der Präsident eröffnet eine neue Front im Handelskrieg und knüpft Zölle an ein politisches Motiv: Mexiko muss den Flüchtlingsstrom stoppen, sonst droht ein wirtschaftliches Desaster.
New York. Noch warten Ökonomen und Investoren weltweit mit Bangen auf den Ausgang im US-chinesischen Wirtschaftsstreit, da eröffnet Donald Trump eine zweite Front im globalen Handelskrieg. Mexikos „passive Kooperation“ habe dazu beigetragen, dass die Lage an der US-Südgrenze außer Kontrolle geraten sei, verkündete das Weiße Haus. Ab 10. Juni werde Washington deshalb einen fünfprozentigen Strafzoll auf alle Importe aus Mexiko einheben; bis Oktober sollen die Tarife schrittweise auf 25 Prozent erhöht werden.
Der Schritt ist aus vielerlei Hinsicht einzigartig und von großer Bedeutung. Zunächst ist es äußerst ungewöhnlich, dass die weltgrößte Volkswirtschaft Strafzölle an ein politisches Motiv knüpft. In der Regel werden derartige Tarife erlassen, um mutmaßliche wirtschaftliche Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Im Streit mit China beispielsweise argumentiert Trump, dass Peking sich unlautere Vorteile verschaffe, indem es US-Firmen zum Technologietransfer zwinge.
Freilich: Die Grenze ist fließend und der Disput mit China ist auch ein politischer, schließlich geht es zwischen den beiden mächtigsten Nationen um die Vormachtstellung. Im Konflikt mit Mexiko jedoch geben die USA gar nicht erst vor, wirtschaftliche Motive zu verfolgen. Entsprechend erntet Trump auch Kritik selbst von republikanischer Seite: „Das ist ein Missbrauch des präsidentialen Rechts, Zölle einzuheben“, sagt der konservative Senator Chuck Grassley, der in der Migrationsdebatte sonst zumeist hinter Trump steht.
Kein unerwarteter Schritt
Auch wenn Trumps Strafzoll gegen Mexiko außergewöhnlich ist, unerwartet kommt der Schritt nicht. Seit Andrés Manuel López Obrador im Dezember sein Amt als mexikanischer Präsident angetreten hat, hat sich der Streit zwischen den beiden Ländern kontinuierlich verschärft. López Obrador argumentiert, dass der Flüchtlingsstrom nur durch Unterstützung der Herkunftsstaaten – Guatemala, Honduras, El Salvador – gestoppt werden könne. Trump fordert, dass Mexiko seine Südgrenze besser sichert und weniger Migranten in Richtung USA durchziehen lässt.
Tatsächlich schiebt Mexiko seit Obradors Antritt deutlich weniger Flüchtlinge ab, in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit fielen die Deportationen nach Guatemala im Jahresvergleich um 32 Prozent. Entsprechend nimmt die Zahl der Ankünfte an der US-Südgrenze zu. Trump besteht auf den Bau einer Grenzmauer, die Demokraten wollen eine solche verhindern.
Der Streit ist nicht nur politisch brisant, er hat das Potenzial, die globale Konjunktur aus der Bahn zu werfen. Nur aus China importieren die USA mehr Waren als aus Mexiko. Als Exportmarkt ist Mexiko für Washington sogar deutlich bedeutender als China. Wenn nun der Disput zwischen den USA und Mexiko weiter eskaliert, führt das zu teureren Produkten für die Konsumenten in den USA, was die Kaufkraft reduziert und so die Konjunktur eintrübt.
Mexiko wiederum droht die Rezession, wenn sich Trump und López Obrador nicht einig werden. Drei Viertel der Exporte gehen in die USA, höhere Zölle kommen einem ökonomischen Desaster gleich. Das belastet die globale Konjunktur: Laut Weltbank ist Mexiko die 15. größte Volkswirtschaft.
Freihandelspakt bedroht
Mit der Eskalation des Konflikts stellt Trump auch einmal mehr den nordamerikanischen Freihandel infrage. Eigentlich haben sich Mexiko, Kanada und die USA 2018 auf einen neuen Handelspakt geeinigt, der das in Ungnade gefallene Abkommen Nafta ersetzen sollte. Dieser Pakt muss allerdings noch von den Parlamenten ratifiziert werden – ein Akt, der nun in weite Ferne gerückt ist.
Wie bedeutend Trumps Ankündigung von Strafzöllen gegen Mexiko ist, zeigte sich am Freitag auch an den Weltbörsen. Es setzte deutliche Kursverluste, der mexikanische Peso verlor innerhalb von wenigen Minuten mehr als zwei Prozent seines Werts.
Mexiko ist um Schadensbegrenzung bemüht: Außenminister Marcelo Ebrard machte sich noch am Freitag auf den Weg nach Washington. Bis zuletzt war unklar, ob er dabei auch mit Trumps rechter Hand in Handelsfragen, Robert Lighthizer, zusammentreffen wird.
Und auch der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, lehnt eine Erhöhung der Zölle auf mexikanische Importe ab. Diese würden die Wirtschaft seines Bundesstaates beschädigen, sagte am Freitag Abbott, der wie Trump Mitglied der Republikanischen Partei ist. Er forderte den US-Kongress auf, die Gesetze zur Sanierung des amerikanischen Immigrationssystems zu verabschieden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2019)