Polen, Tschechien und Co. pochen auf strenge Defizit-Limits.
Wien/Mannheim. Was der Debatte um die Stabilität der Eurozone angesichts der italienischen Budgetnöte regelmäßig außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass es in Mittelosteuropa mehrere EU-Mitglieder gibt, die dazu verpflichtet sind, der Währungsunion beizutreten. Welchen Einfluss hätten Polen, Tschechien und Co. auf Stabilität und Ausrichtung der Eurozone? Dieser Frage ist ein Team des Wirtschaftsinstituts ZEW nachgegangen, deren Studie am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Der Bericht basiert einerseits auf der Auswertung offizieller Stellungnahmen und Fiskaldaten, andererseits auf einer Umfrage unter knapp 2000 Entscheidungsträgern. Was die Balance von Rechten und Pflichten in der Eurozone anbelangt, sind die Mitteleuropäer der deutschen und niederländischen Position demnach näher als der französisch-italienischen Linie.
Während Paris und Rom mehr Flexibilität bei den Stabilitätskriterien fordern und die Eurozone „solidarischer“ gestalten wollen – etwa durch ein eigenes Budget –, setzt Berlin auf fiskalische Selbstverantwortung und sieht EU-Defizitregeln als Garant für Stabilität. Gemäß der ZEW-Studie vertreten Polen und Tschechien dieselbe Position wie Deutschland, was die Wichtigkeit der Stabilitätskriterien anbelangt. Auch wenn es darum geht, im Krisenfall die Inhaber von Staatsanleihen in die Pflicht zu nehmen, ziehen Berlin, Warschau und Prag am selben Strang. Während die Mittelosteuropäer mehr EU-Kompetenzen in der Steuerpolitik klar ablehnen, können sie sich mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung eher anfreunden.
Demnach würde der „nordische“ Block der fiskalischen Tugend durch den Euro-Beitritt der deutschen Nachbarn gestärkt werden, während Frankreich und Italien mit mehr Gegenwind rechnen müssten. Allerdings macht die Studie auch deutlich, dass in Mitteleuropa die Lust auf den Euro enden wollend ist. Die Studienautoren ziehen daraus den Schluss, dass die im Raum stehende Reform der Währungsunion nicht ausschließlich auf Solidarität zwischen ärmeren und reicheren Euro-Mitgliedern abzielen sollte, weil das die Aussicht auf eine Erweiterung der Eurozone schmälern würde. (la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2019)