Rosen überleben fast alles

Pflanzt Rosen, es zahlt sich in jedem Fall aus.
Pflanzt Rosen, es zahlt sich in jedem Fall aus.(c) Ute Woltron
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Die üppigste Zeit des Jahres ist jetzt, und die spendabelste Gartenblume ist und bleibt die Rose, die oft auch dann unverdrossen blüht und duftet, wenn sich keiner mehr um sie kümmert.

Frühsommer. Alles nimmt seinen gewohnten Lauf. Die Imker jagen ausgekommenen Bienenschwärmen hinterher. Die Schulkinder sind unleidlich, sitzen nur noch zappelig die Zeit bis zu den großen Ferien ab. Die Kirschen und die Ribiseln haben schon rote Bäckchen bekommen, müssen demnächst in die Einmachgläser. Die ersten Radieschen und Kohlrabi aus dem Gemüsebeet sind bereits verspeist, die zweite Partie Salatpflänzchen auch, allerdings von Schnecken und nicht von Gärtnern. Macht nichts, sie werden nachgesetzt. Noch ist viel Zeit für kleine Pflanzen, um groß und stark zu werden. Noch muss kein Gartenstress aufkommen.

Regen und Sonne. Windwogen auf Blumenwiesen und Getreidefeldern. Junikäfer und die ersten Gelsen, bald auch die Glühwürmchen. Die üppigste Zeit des Jahres ist jetzt. Blumen und Blüten überall. Der Türkische Mohn steht als einer der flüchtigen Stars im Blumenbeet. Ein halbes Dutzend betörter Bienen hat in einer seiner Seidenpapierblüten Platz. Die schweren Blütenköpfe der Bauernpfingstrosen liegen in der Früh nach dem Regen wie gefällte Seerosen ausgebreitet darnieder, sie rappeln sich in der Vormittagssonne mühsam wieder auf und erwecken Assoziationen zu behäbigen Damen, die in altmodischem Badekleid samt Rüschenunterröcken einem grünen Teich zu entsteigen versuchen.

Die großzügigste Juni-Blüte jedoch spenden, wie jedes Jahr, die Rosen, und wer derzeit sehenden Auges und offener Nüstern durch die Gegend geht, darf in der Vielfalt der Königin der Blumen schwelgen. Selbst vergessenen und kläglich vernachlässigten Vorgärten ist anzusehen, wo vor langer Zeit jemand mit Liebe und Muße zugange gewesen war und ein paar Rosenstöcke gepflegt hat. Auch wenn sie der Dschungel zu verschlingen droht, auch wenn keiner mehr da ist, der sie düngt, der das Erdreich rund um ihre lufthungrigen Wurzeln lockert oder sie gar zurechtstutzt, blühen sie unverdrossen, als ob die Zeit stillgestanden wäre.

Von der richtigen Pflege

Rosen überleben fast alles, auch jahrelange Missachtung, ja mitunter gedeihen sie ohne Zutun sogar prächtiger als manch sorgfältig faconiertes, zum Krüppel geliebtes Exemplar. Die Nachbarin, dieser Tage mit wild zerzaustem Haar und zerkratzten Armen praktisch ausschließlich in ihrem grünbunten Reich anzutreffen, hat ihren Beschluss, die Rosen nur noch minimal zu stutzen, heuer durchgehalten, obwohl es sie in den Scheren mächtig gejuckt hat, und schöner waren sie nie.

Sie befindet sich damit in einem Stadium, das ich bereits erreicht habe, wobei Gertrude Steins berühmter Satz, eine Rose ist eine Rose ist eine Rose, in diesem Fall dann doch nicht uneingeschränkt stimmt. Sogenannte Edelrosen etwa, das sind die mit großen einzelnen Blüten an kräftigen langen Stielen, um es sehr vereinfacht auszudrücken, brauchen doch viel Pflege, vor allem müssen sie sehr wohl mit Sorgfalt und Können geschnitten werden.

Doch so viele andere Rosenklassen kommen prächtig ohne viel Herumgeschnipsle über die Runden. Pflanzt Rosen, Leute, es zahlt sich in jedem Fall aus. Strauchrosen in den verschiedensten Größen und Wuchsformen sind die Wahl des bequemen Gärtners, und manche von ihnen können gar nicht groß genug werden.

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Zum Beispiel die atemberaubende weiße Rose des Peter B. Im zeitigen Frühjahr stand er noch sinnend vor den zum Teil gut vier Meter langen Ranken und überlegte, wie er ihrer Herr werden könnte. Zum Glück schnitt er gar nichts ab, und diese zaudernde Weitsicht lohnt ihm das Rosenungetüm zurzeit mit einer weißen, duftenden Blütenorgie, deren Anblick Passanten innehalten und in Andacht verfallen lässt.

Wer sich in das Abenteuer Rose stürzen und sich ein paar von ihnen zulegen will, sollte lediglich wenige grundlegende Entscheidungen treffen. Abgesehen von der Farbe, die Geschmackssache bleibt, sind die unterschiedlichen Blütenformen zu berücksichtigen. Gefüllt, halb gefüllt, in Büscheln blühend, kleine, große Blüten, die Auswahl ist gigantisch. Duft gefällig? Ja, aber nicht alle Rosen duften, und alle duften ganz unterschiedlich.

Alte Rosensorten blühen meist nur ein Mal, das jedoch in überwältigender Fülle und oft schwer parfümiert. Moderne Rosen spielen alle Stückerln. Die besten von ihnen sind kaum krankheitsanfällig, blühen immer wieder, duften und brauchen weniger Pflege, als angenommen. Pflanzt Rosen, doch an der richtigen Stelle, dann sind sie unverwüstlich. Sie brauchen Sonne, zumindest ein paar Stunden täglich, und einen halbwegs fruchtbaren Boden. Wer sie gelegentlich düngt, hat schon gewonnen. Viel mehr ist nicht zu tun, außer an ihr zu riechen, sie in die Vase zu stellen und zu bewundern.

Lexikon

Rosenklassen. Hier kann sich der Laie im Labyrinth der Begrifflichkeiten der Rosenzucht verlieren, doch wer gar keine Ahnung hat, ist mit dem Gruppenbegriff Strauchrose meist am besten bedient.

Rosen züchten. Rosen als Gartenbegleiter gibt es seit Jahrtausenden, doch die Kunst der Rosenzucht ist jünger, als man denkt. Seit dem 18. Jahrhundert entstanden an die 30.000 Rosensorten. Während es Ende des 18. Jahrhunderts nur 25 Sorten gab, waren es ein paar Jahrzehnte später Tausende.

Kreuzungen. Die große Zeit der Rosenzucht setzte erst mit dem Import chinesischer Rosen nach Europa ein, als Duft und wiederholtes Blühen durch Kreuzung erzielt wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2019)

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