Bisher wollte die deutsche Kanzlerin kaum regieren, jetzt kann sie es kaum noch.
Nur ja keine falsche Bewegung. Das war das Motto der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW). Tatsächlich schaffte es die schwarz-gelbe Regierung seit ihrem Amtsantritt, abgesehen von wiederkehrenden Attacken koalitionärer Autoaggression, in nahezu absoluter Reglosigkeit zu verharren. Ob Steuerreform, Gesundheitsreform oder Griechenland-Hilfspaket: Stets hieß es unausgesprochen Rücksicht nehmen auf NRW.
Ausgezahlt hat sich die Taktik von Zen-Meisterin Merkel nicht wirklich. Schwarz-Gelb fuhr bei der „kleinen Bundestagswahl“ in Deutschlands politischem Kraftzentrum eine krachende Niederlage ein und verlor nicht nur in Düsseldorf, sondern auch im Bundesrat, der Länderkammer in Berlin, die Mehrheit. Bisher wollte Merkel kaum regieren, ab jetzt kann sie kaum noch regieren.
Am Montag machten sie und ihr FDP-Vize Guido Westerwelle einen geradezu zerknirschten Eindruck. Die Bundeskanzlerin gestand ein, dass es aus Berlin nicht Rücken-, sondern Gegenwind für NRW gegeben hatte. Ihre erste Konsequenz: Sie nahm die Steuersenkungen, über die Liberale und Konservative seit vergangenem Oktober stritten, ohne hörbare Widerrede Westerwelles vom Tisch.
Wichtiger als Inhalte zu streichen wäre jedoch eine Antwort auf die Frage, was eigentlich das schwarz-gelbe Projekt ist, was Union und FDP gemeinsam bewegen wollen. Diese Antwort bleiben Westerwelle und Merkel seit Beginn ihrer Koalitionsverhandlungen schuldig.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2010)