Schwarz-Gelb: "So können wir nicht weitermachen"

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Nach der Denkzettelwahl in Nordrhein-Westfalen starten nun heftige Kursdebatten in Union und FDP. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch ihr Vize Westerwelle stehen in ihren Parteien unter starkem Druck.

Berlin. „So können wir jedenfalls nicht weitermachen wie in den letzten Monaten.“ Lapidar kommentiert der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach den „klassischen Denkzettel“ für die Koalition in Berlin, den diese bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen erhalten hat. Die Abwahl der schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf, die zweistelligen Verluste für die CDU und das ebenfalls schwache Ergebnis der FDP senden massive Schockwellen nach Berlin: Nicht einmal sieben Monate nach ihrem Amtsantritt ist die christlich-liberale Bundesregierung unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Nicht nur verliert sie ihre Mehrheit im Bundesrat, der Länderkammer, was ein „Durchregieren“ in Zukunft unmöglich macht; auch die schwelenden Konflikte zwischen den Koalitionspartnern sowie innerhalb von Union und FDP brechen nun mit voller Kraft aus.

Steuersenkungen abgesagt

Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch ihr Vize, Außenminister Guido Westerwelle (FDP), stehen in ihren Parteien unter starkem Druck. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten und Landesfraktionschefs forderten am Montag einen klareren Kurs und eine Schärfung des konservativen Profils. Die Wünsche der bürgerlichen Wähler nach Konsolidierung müssten ernster genommen werden als bisher, erklärte Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff. Der Wirtschaftsflügel fühlt sich zu stark zurückgedrängt, Merkel wird Führungsschwäche vorgeworfen. Die CDU müsse als Volkspartei wieder mehr Bindungskraft entwickeln und in der Lage sein, bei Wahlen „40 Prozent plus x“ zu erreichen – das Ziel ist klar, aber der Weg umstritten.Merkel lässt die Kritik erst einmal an sich abperlen: „Es gibt keinen Veränderungsbedarf bei der programmatischen Ausrichtung“, erklärte sie am Montag nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums. Soziale Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit blieben die beiden Leitplanken für die CDU. Aber dennoch: Die Parteichefin wird das Murren nicht ewig ignorieren können.

Ungewöhnlich kleinlaut tritt FDP-Chef Westerwelle auf, der am Montag erstmals vorsichtig eine mögliche Abkehr von den Steuersenkungsplänen angedeutet hat. Es werde jetzt sicher in den Gremien darüber beraten, ob die Regierung darauf verzichte, räumte er ein – und: „Auch wir wissen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat verändert haben, das ist doch ganz offensichtlich.“ Merkel sprach am Montag gleich Klartext: „Steuersenkungen werden auf absehbare Zeit nicht durchsetzbar sein.“

Die Fixierung auf Steuersenkungen hat den Liberalen messbar geschadet, aber ein anderes, zugkräftiges Thema haben sie bisher nicht gefunden. Der innerparteiliche Druck auf Westerwelle, seine Partei aus dem Schatten der Union herauszuführen, ist groß, zugleich wächst die Kritik an seinem zentralistischen Führungsstil.

Gegenwind im Bundesrat

Neben den Steuersenkungsplänen sind durch den Verlust der Mehrheit im Bundesrat auch andere Schlüsselprojekte von Schwarz-Gelb deutlich erschwert: SPD und Grüne haben bereits angekündigt, dass sie ihren Einfluss „zum Wohle des Landes“ geltend machen wollen, ob es nun um die „unsolidarische Gesundheitspolitik“ oder die geplante Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken geht. Einen Blockadekurs, wie ihn vor 1998 der damalige SPD-Chef Oskar Lafontaine der Länderkammer verordnet hat, können die Sozialdemokraten aber nicht fahren. Anders als damals hat die SPD keine Mehrheit, sodass Schwarz-Gelb die Blockadefront mit Zugeständnissen an einzelne Länder aufbrechen kann. Die Bundesregierung muss also versuchen, bei heiklen Abstimmungen die Grünen in Hamburg und im Saarland zu gewinnen, wo es es schwarz-grüne Bündnisse gibt. Sie könnten gemeinsam mit ihren sechs Stimmen den Verlust von NRW kompensieren.

Dort könnte nun eine monatelange Hängepartie bevorstehen. Die konstituierende Sitzung des Landtags ist für den 9. Juni geplant, die Wahl des Ministerpräsidenten für den 23. Juni. Sowohl CDU als auch SPD wollen die Regierung bilden, wie beide am Montag bekräftigten, die Christdemokraten haben einen hauchdünnen Vorsprung. Wenn es keine Große Koalition wird, müssten SPD und Grüne mit der Linken regieren – eine heikle Option. Dass SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft am Montag von Parteichef Sigmar Gabriel in Berlin einen rot-rot-grünen Blumenstrauß überreicht bekam – helle und dunkelrote Rosen, umrahmt von grünen Blättern –, war aber wohl Zufall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2010)

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