Extreme Hitze in Europa: Ist der Klimawandel verantwortlich?

Gedränge am Strand in  Haltern am See, Deutschland.
Gedränge am Strand in Haltern am See, Deutschland.APA/AFP/INA FASSBENDER
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Schmelzende Autobahnen in Deutschland, die Sorge vor Hitzetoten in Frankreich, ein katastrophaler Waldbrand in Spanien: Hitzewellen werden in Europa immer häufiger. Dafür gibt es zwei Gründe, erklärt die Zentralanstalt für Meteorologie.

Noch nie da gewesene 37,5 Grad in Imst in Tirol, 30 Grad um 8 Uhr Früh in Gumpoldskirchen in Niederösterreich, Tropennächte auf über 1000 Meter in Salzburg und Vorarlberg. Verantwortlich für die Hitze ist ein Zusammenspiel zwischen dem Tiefdruckgebiet „Nasir“ über dem Atlantik und Hoch „Ulla“ über der Ostsee. Nasir saugt heiße Luft aus der Sahara-Region an. Durch „Ulla“ kommt das Wetter über Spanien und das Mittelmeer weiter nach Norden.

Die Hitzewelle hat aber nicht nur Österreich, sondern auch den Rest Europas erfasst: 38,6 Grad in Brandenburg - so heiß war es in Juni im Deutschland noch nie. Auch der Verkehr wurde in Mitleidenschaft gezogen: In Rostock an der Ostsee verbog die Sommerhitze die Gleise der Schmalspurbahn „Molli“, in Berlin löste sich der Asphalt von der Straße und Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg hatten schon im Vorfeld Tempolimits auf den Autobahnen eingeführt, falls die Straßen sprichwörtlich schmelzen sollten.

Für skurrile Szenen sorgten die heißen Temperaturen im Hitze-Hotspot Brandenburg: Die Polizei stoppte dort einen lediglich mit Helm und Sandalen bekleideten Motorroller-Fahrer. "Et is halt warm, wa?“, soll der ältere Herr sein Auftreten gegenüber den „sprachlosen“ Polizisten kommentiert haben. In München beschloss der Stadtrat, Frauen das Sonnen oben ohne auch außerhalb ausgewiesener FKK-Flächen zu erlauben. Private Sicherheitsdienste hatten barbusige Badende an der Isar am Wochenende aufgefordert, ihre Bikini-Oberteile wieder anzuziehen.

Misthaufen löst verheerenden Waldbrand aus

Auch in Frankreich könnten am Donnerstag und Freitag Hitzerekorde geknackt werden: In einigen Teilen des Landes werden Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius erwartet. Die französische Regierung hat daher Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Frankreich ist noch immer gezeichnet vom Hitzesommer 2003 - damals kamen Tausende Menschen ums Leben.

Wegen hoher Ozonbelastung gelten unter anderem weitreichende Fahrverbote in der Millionenstadt Paris. Zahlreiche Schulen sollen geschlossen werden, Tiertransporte wurden verboten, Über-75-Jährige und Menschen mit Gesundheitsproblemen erhalten behördliche Hilfe.

Die heiße Luft aus Afrika wird auch Spanien eine für Ende Juni ungewöhnliche Hitzewelle bescheren. Bis zu 44 Grad soll es heiß werden, unter anderem in Saragossa im Nordosten des Landes oder der Hauptstadt Madrid. In Katalonien könnte sich ein Misthaufen in der Gluthitze derart aufgeheizt haben, dass er regelrecht explodierte, Funken erzeugte und zu einem verheerenden Waldbrand führte: Binnen Stunden sind auf dem Gebiet der Gemeinde Torre del Español Tausende Hektar Wald zerstört worden. Trotz der Löschbemühungen geriet der Brand außer Kontrolle.

Erwärmung der Arktis für Extremwetter verantwortlich?

Warum aber ist es in Europa derzeit so heiß? Ist es schlicht das Wetter oder ist der Klimawandel verantwortlich? „Hitzewellen sind an sich ein natürliches Phänomen, das schon immer vorgekommen ist. Durch den Klimawandel werden sie aber häufiger und intensiver“, sagt der Leiter der Abteilung für Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Marc Olefs, der „Presse“. Dafür gebe es zwei Gründe: Erstens sei das Temperaturniveau in den letzten Jahrzehnten gestiegen, dadurch sei extreme Hitze häufiger geworden, sagt Olefs. Die heißesten Sommer in Europa seit 1500 ereigneten sich alle seit der letzten Jahrhundertwende, schreibt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: 2018, 2010, 2003, 2016, 2002. 

Zweitens gebe es Anzeichen dafür, dass die Wetterlagen länger anhalten als früher, sagt Olefs. Das bedeutet im Sommer längere Hitzewellen, Waldbrände und Überschwemmungen, im Winter längere Kältewellen oder extreme Schneefälle. Derzeit werde noch darüber gestritten, ob die Verlangsamung der Wetterlagen auf den Klimawandel zurückzuführen sei, heißt es aus der ZAMG zur „Presse“.

Eine Erklärung dafür, dass das Wettersystem langsamer wird: Die Arktis erwärmt sich verglichen mit anderen Teilen des Planeten schneller. Dadurch verringert sich die Temperaturdifferenz zwischen dem Nordpol und dem Äquator. Diese Differenz gilt aber bisher als ein entscheidender Antrieb für die großen Luftströme in der Atmosphäre - auch für den sogenannten Jetstream, ein Windstrom, der in acht bis 12 Kilometer Höhe rund um den Globus von Westen nach Osten weht.

Bodenverdunstung fehlt

Zusätzlich gebe es bei Hitze selbstverstärkende Effekte, sagt Olefs. Zum Beispiel die Bodenfeuchte. „Trocknen bei Hitzewellen durch die stärkere Verdunstung die Böden aus, kann das zu einer Verstärkung und Verlängerung der Hitze beitragen, da der kühlende Effekt der Verdunstung dann immer mehr fehlt. Dies kann sich somit auch auf Hitzewellen im weiteren Verlauf des Sommers auswirken.“

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