Dauerkrise um Rettungsschiffe: Matteo Salvini bleibt hart

Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" darf nicht nach Malta
Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" darf nicht nach MaltaCourtesy of Sea-eye/Social Media via REUTERS
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Italien verweigerte einem weiteren deutschen Schiff mit geretteten Migranten an Bord Einfahrt in seine Häfen. Die jüngste Forderung des deutschen Innenministers Horst Seehofer, Italien solle seine Häfen öffnen, weist sein Kollege in Rom brüst zurück: „Ein absolutes Nein dazu!“

Rom/Valletta. Nach Italien verweigerte zunächst am Sonntag auch Malta dem deutschen Rettungsschiff „Alan Kurdi“ der NGO Sea Eyes die Einfahrt in seine Hoheitsgewässer. Nach stundenlangen Verhandlungen ließ die Regierung in Valletta die Migranten an Land – allerdings nur unter der Bedingung, dass sie sofort von anderen Ländern aufgenommen werden. Am Samstag hatte das deutsche Schiff mit 66 Geretteten an Bord stundenlang vor der italienischen Insel Lampedusa auf eine Erlaubnis zur Einfahrt in den dortigen Hafen gewartet. Vergeblich. Italiens Innenminister verbot das strikt.

Dafür durften 41 gerettete Migranten, die sich an Bord des Motorseglers „Alex“ der italienschen NGO Mediterranea befunden hatten, in Lampedusa an Land gehen. Auch diesem Schiff hatte Salvini die Einfahrt verweigert. Die „Alex“ fuhr trotzdem in den Hafen ein, weil die Gesundheits- und Hygienebedingungen an Bord keine andere Wahl mehr gelassen hätten, hieß es zur Begründung von der Besatzung.

Salvini aber tobte. Das Schlauchboot, von dem der Motorsegler die Migranten aufgenommen habe, habe „keinerlei Probleme“ gehabt. „Dass das Schlauchboot seeuntauglich war, war eine der Lügen der linken NGO.“ Die Polizei durchsuchte das Schiff in Lampedusa vier Stunden lang, beschlagnahmte Dokumente sowie anderes Material und leitete Ermittlungen gegen Kapitän Tommaso Stella wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ein.

Salvini kündigte eine Initiative an, die Strafe für Hilfsorganisationen, die trotz Verbots italienische Häfen ansteuern würden, auf eine Million Euro zu erhöhen. Zudem solle es leichter werden, Rettungsschiffe zu beschlagnahmen. Bisher ist eine Geldbuße von 50.000 Euro vorgesehen. Italien lasse sich nicht erpressen, erklärte Salvini und heiße auch nicht das Vorgehen von Menschen gut, die italienische Gesetze brechen und Menschenhändlern beistehen würden.

Kurz: NGOs wecken falsche Hoffnungen

Am Wochenende lieferte sich Salvini auch einen verbalen Schlagabtausch mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer. Dieser hatte an seinen italienischen Kollegen appelliert, nach der Dauerkrise um Rettungsschiffe die Häfen zu öffnen: „Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keine Häfen finden“, schrieb Seehofer in einem Brief an Salvini. Der antwortete sogleich auf Facebook: „Die deutsche Regierung ruft mich auf, den Schiffen italienische Häfen zu öffnen. Ein absolutes Nein dazu!“ Salvini rief im Gegenzug die Regierung Merkel auf, Schiffen, die Schleppern helfen würden, die deutsche Flagge zu entziehen.

Schützenhilfe erhielt Salvini von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz. Er halte es für falsch, wenn sich Nichtregierungsorganisationen daran beteiligten, Menschen illegal nach Europa zu bringen, sagte Kurz in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. Die NGOs wecken damit nur falsche Hoffnungen und lockten damit womöglich unabsichtlich noch mehr Menschen in Gefahr. Denn solange die Rettung im Mittelmeer mit einem Ticket in Europa verbunden sei, machten sich immer mehr Menschen auf den Weg: „Wenn wir sicherstellen, dass jeder, der sich illegal auf den Weg macht, zurückgebracht wird in sein Herkunftsland oder in ein Transitland, werden wir die illegale Migration stoppen, das Geschäft der Schlepper zerstören und das Wichtigste: Das Ertrinken im Mittelmeer endlich beenden.“

Solidarität mit zivilen Seenotrettern

Die tunesische Küstenwache hat am Wochenende die Leichen von über einem Dutzend afrikanischen Migranten geborgen. Die Hilfsorganisation Roter Halbmond teilte mit, sie seien ums Leben gekommen, als vergangene Woche ein Boot mit mehr als 80 Menschen an Bord kenterte. Wie viele Menschen insgesamt bei diesem Unglück ertrunken sind, war zunächst nicht klar.

In Deutschland gingen in mehr als 100 Städten am Wochenende rund 30.000 Menschen aus Solidarität mit den zivilen Seenotrettern und zur Unterstützung von Flüchtlingen auf die Straße. Die in Italien festgehaltene Kapitänin Carola Rackete appellierte in einer Botschaft an die deutsche Regierung, alle aufzunehmen, die aus dem Mittelmeer gerettet würden. (Reuters, DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 8.07.2019)

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