Die U4 ist auf rund dreieinhalb Kilometern gesperrt. Der Unterbau aus Otto Wagners Zeiten wird komplett neu gemacht. „Die Presse“ besuchte die Baustelle mit Blick auf die Schichten unter der U-Bahn.
Man könnte natürlich ehrfürchtig auf das Holz blicken. Immerhin wurde es vor mehr als 120 Jahren in den Boden neben dem Wienfluss gerammt, damals, als unter Architekt Otto Wagner die Wiener Stadtbahn errichtet wurde. Walter Zemen hat jedoch einen eher nüchternen Zugang zu den Pfählen, deren obere Enden aus dem feuchten Erdreich ragen: „Die picken im Boden und sind sehr schwer herauszubekommen.“ Doch genau das hätte der Projektleiter der Sanierung der U4 gern – dass der alte Untergrund beseitigt wird und ein moderner, stabiler Boden geschaffen werden kann, auf dem die U4 durch das untere Wiental fährt.
Zemens Arbeitsplatz ist über den gesamten Sommer ein etwa 3,5 Kilometer langer Abschnitt der U4. Seit Ende Juni fährt zwischen Längenfeldgasse und Karlsplatz keine U-Bahn. Mehr noch, es liegen hier auch gar keine Schienen mehr. Wie eine offene Wunde wirkt der nach oben offene Abschnitt im unteren Wiental derzeit – wer von der Wienzeile nach unten schaut, sieht statt U-Bahnen nur Schotter, Schutt und Erde. Der Projektleiter steht im Abschnitt zwischen Margaretengürtel und Pilgramgasse in feuchtem Tegel – das ist das lehmig-tonige Material, aus dem der Boden besteht. Mit einem kleinen Klumpen des bläulich-grauen Stoffs formt er eine Kugel, ähnlich wie der erste Schritt beim Töpfern. „Wird Tegel feucht“, erzählt er, „benimmt er sich wie ein Teig – und bewegt sich. Wenn er mehr Wasser hat, fängt er zu schwimmen an.“
Keine Schienen auf der Strecke
Damit die U-Bahn trotzdem sicher unterwegs ist, muss zwischen Schienen und Untergrund einiges geschehen. Und da die alte Trasse immer wieder Probleme bereitete, muss sie nun komplett erneuert werden. Seit 2014 läuft die Sanierung der U4, nun ist eben dieser Abschnitt an der Reihe. Unmittelbar nach Betriebsschluss am 29. Juni begann man, die Schienen auszubauen. Sie liegen jetzt am Auhof, einige komplexere Gleisteile wurden auf der Wienzeile verstaut. Nun gilt es, den alten Untergrund auszuheben und durch einen neuen zu ersetzen.
Was die Arbeit erschwert: Die ursprüngliche Stadtbahn aus Otto Wagners Zeit wurde immer wieder umgebaut, wobei manche Änderungen vor allem schnell und pragmatisch gemacht wurden – bei einem Bombentreffer im Krieg ging es beispielsweise etwa darum, die Stützmauer zu sichern, die die Trasse vom Wienfluss abschirmt. Dementsprechend findet sich nicht alles in Plänen wieder, abgesehen davon wurden auch nicht alle alten Dokumente überhaupt aufgehoben. „Und so“, meint Zemen, „treffen wir halt immer wieder auf Dinge, die nicht eingezeichnet sind.“