Digitalisierung

Mit der KI durchs Mitarbeiterleben

Group HR Direktor Mondi Michael Hakes
Group HR Direktor Mondi Michael HakesNadja Nemetz
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Künstliche Intelligenz, das klingt nicht greifbar und abstrakt. Was genau – außer alle Daten mitzuschreiben – macht die KI im Personalbereich? Und wichtiger: Was hat man davon?

Michael Hakes, Group HR Director beim Verpackungs- und Papierhersteller Mondi, steckt mitten in der Digitalisierung. Hakes ist Chef über rund 26.000 Mondi-Mitarbeiter, ein Zehntel davon in Österreich. Ausgangsszenario: Fünf Generationen im Unternehmen, jede mit eigenen Vorstellungen von der Arbeitswelt. Jeder durchläuft den Mitarbeiterlebenszyklus: bewerben, an Bord gehen, leisten, beurteilt werden und selbst beurteilen, sich weiterentwickeln, ausscheiden.

Die Kunst ist – und dieses Projekt ist lang nicht beendet – jeden dort abzuholen und einzubinden, wo er steht. Ohne eine potente Software geht das nicht. Hakes erläutert an seinem System, was dies Firma und Mitarbeitern bringt.

Bewerben. 20-Jährige wollen sich so bewerben, wie sie auf Amazon Waren bestellen. 50+ wollen einen Papier-CV abgeben. Das macht Lebensläufe so schwer vergleichbar. Hier hilft eine bedienerfreundliche, weltweit gleiche Maske, in der alle Bewerber ihre Daten eintragen. Das System erinnert auch, wenn etwas fehlt („Bitte fügen Sie ein Anschreiben bei“).

Es speichert alle Informationen so ab, dass die KI jene Bewerbungen herausfischen kann, die den definierten Anforderungen entsprechen. Alter, Geschlecht und Herkunft werden ausgeblendet, die Vorgaben der DSGVO im internen Gebrauch erfüllt. Recruiter vergleichen die Bestgereihten nebeneinander am Bildschirm. Oder tauschen sich mit der Führungskraft am anderen Ende der Welt aus („Lade bitte diese drei Kandidaten ein“). Bei Absagen hat bisher gegolten: Wer Bewerber verärgern will, muss sie nur längere Zeit im Ungewissen lassen. Nun generiert das System automatische Absagen. Die Bewerber werden es danken.

An Bord gehen. Am Anfang steht viel Zettelwerk – Automatisierung macht für HR und Neuling vieles leichter. Arbeitszeiterfassung ist Vertrauenssache. Auch Urlaubsanträge brauchen keine drei Unterschriften mehr. Der Termin wird einfach für alle sichtbar im System eingetragen.

Leisten. Mitarbeitergespräche finden nicht mehr einmal, sondern mindestens zweimal jährlich statt. Dann bekommen Mitarbeiter und Führungskraft eine Erinnerung in ihrem Kalender. Gibt es neue Entwicklungen, können Ziele auch unterjährig angepasst werden.

Entwickeln. Früher haben sich Mitarbeiter alle fünf Jahre mit Karriereschritten begnügt, erinnert sich Hakes. Jetzt fordern sie sie schon alle zwei Jahre ein. Deshalb werden Entwicklungsziele ab dem Onboarding ins System eingespeist und der Fortschritt bei jedem Review bewertet. HR sieht auf einen Blick, wenn etwa mehrere Mitarbeiter Mentoren oder Trainings brauchen und organisiert beides gebündelt. Es sieht aber auch, wenn mehrere Mitarbeiter Probleme mit derselben Führungskraft haben. Dann, so Hakes, „gibt es eine freundliche Nachschulung“.

Ausscheiden. Und bei Angst vor schlechtem Feedback? Unerbittlich erinnert die KI sowohl HR als auch Führungskraft, keinesfalls auf das Exitgespräch mit einem scheidenden Mitarbeiter zu vergessen. Kündigen mehrere aus demselben Grund, macht man sich seine Gedanken. In Summe: dieselben Prozesse, aber effektiver.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2019)

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