Elektrisches Blöken

Die Nachtkerze lenkt von sommerlich verdorrten Rasenflächen ab.
Die Nachtkerze lenkt von sommerlich verdorrten Rasenflächen ab.(c) Ute Woltron
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Moderne Rasenroboter sind dem Hausschaf erstaunlich ähnlich. Noch lange nicht so intelligent, wie ihre Besitzer das gerne hätten. Und wenn sie auskommen, dann droht Ungemach.

Diverse Gärtner der Umgebung, und interessanterweise handelt es sich hier offenbar ausschließlich um Männer, sind dieser Tage fast rund um die Uhr mit der Pflege ihrer Rasenflächen beschäftigt. Um präzise zu sein, sind sie die überwiegende Zeit noch eher mit den Vorbereitungen zur Rasenpflege befasst, als mit dem Mähen selbst. Denn sie tüfteln an der Installation ihrer nagelneuen Rasenroboter. So ein selbstfahrender Rasenmäher, auch elektrisches Schaf genannt, scheint momentan der Herren liebstes Gartenspielzeug zu sein.

Die Vorstellung, sich mit einem guten Espresso gemütlich in den Liegestuhl zu fläzen – den Strohhut auf dem Kopf und die Zeitung in der Hand – während sich der hochtechnologisierte Gehilfe programmgemäß leise surrend über die Grasflächen hermacht und für golfplatzartige Zustände sorgt, hat nicht für jeden, doch für so manchen etwas Bestechendes. Aber Schafe sind bekanntlich störrische, eigentlich recht dumme Tiere, die noch dazu alles kurz und klein fressen, was ihnen vor das Maul kommt. Und auch ihre elektrischen Varianten haben es bisher noch nicht zur höheren Intelligenz gebracht, was man ihnen natürlich nicht vorwerfen kann.

Das Schaf braucht beispielsweise einen Zaun, damit es nicht ausbricht und sich verbotenen Genüssen wie Gemüsegärten, Jungbäumen und Blumen bemächtigt. Im Falle des Rasenroboters muss die Einfriedung besonders sorgfältig verlegt und je nach Größe und Topografie des Gartens mit recht hohem Aufwand in der Erde vergraben werden. Wenn alles gut geht, sorgen technisch ausgetüftelte Systeme unsichtbar dafür, das Mähwerkzeug in seinen Bereich zu verweisen und von Blumenrabatten und anderen Hindernissen fern zu halten.

Aufregung in den Anlagen.
Für handtuchkleine Vorgärtchen mag das praktisch sein. Doch in der freien Wildbahn größerer Gärten funktioniert das nicht immer so, wie man sich das vorstellt, weshalb ständig einiges an Aufregung in den Anlagen der Umgebung zu beobachten ist. Im besten Fall hängen die Schafe in Schieflagen an irgendwelchen Hindernissen und müssen befreit werden. Die Rasierklingenschneiden sind äußerst empfindlich, jeder Stein oder Baumstumpf bedeutet ihren sofortigen Untergang. Elementar ist auch die Kenntnis über die genaue Lage der vergrabenen Begrenzungen, damit sie vor unbedachten Spatenstichen sicher sind. Und was los ist, wenn das Schaf doch einmal auskommt, kann sich jeder selbst vorstellen.

Wenigstens dieser gärtnerische Kelch wird wohl mit Sicherheit an mir vorübergehen. Der eigene Garten, eher ein Labyrinth aus Beeten und Strauchzonen, Steinhaufen, Abhängen und Mulden, Klippen, Mauern und dahinterliegenden unergründlichen Wildnissen, ist für solcherlei technisches Scharmützel vollkommen ungeeignet. Jedes der Elektroschafe würde bereits nach nur wenigen Metern auf ein Hindernis stoßen und dringend Erste Hilfe benötigen.

Außerdem haben die Rasenflächen in den vergangenen Jahren zugunsten von Strauch- und Staudenzonen rapide abgenommen. Und sie nehmen weiterhin ab, sodass eigentlich nur mehr Wege und ein paar Zwischenzonen zu mähen sind. Unter den Obstbäumen sorgen die Hühner mit Schnabel und Krallen für die nötige Wiesenpflege, wenn sie nicht, wie unlängst erst, alle vom Fuchs geholt wurden.

Gegen den kurz geschnittenen Rasen spricht natürlich auch die unglaubliche Insekten- und Kleintiervielfalt im Garten. Diese stellt sich binnen kurzer Zeit in einer gepflegten Wildnis selbst ein, während im Rasen nur wenig Leben kreucht und fleucht. Um solche Gärten muss man sich zwar fraglos ebenso kümmern, doch sind sie klug und standortgerecht konzipiert, machen sie letztlich weniger Arbeit als ein gut gepflegter, unkrautfreier und ständig zu mähender Rasen.

Derzeit sind die Wiesenflächen nach der Mahd etwas struppig, vor allem, weil der Regen verdammt noch einmal wieder auf sich warten lässt. Auch in den wenigen Rasenflächen zeigen sich zugegebenermaßen die moosigen Stellen in der Dürre des Hochsommers von ihrer schlechtesten, weil braun verdorrten Seite. Aber all das wird wieder gut, wenn endlich der nächste ausgiebige Regen vorbeikommt. Bis dahin konzentriere ich die Blicke auf Blühendes wie Hoher Phlox, Rosen und sympathische Wildlinge wie Nachtkerzen, Johanniskraut und duftender Steinklee. Aufgrund der Dürre haben die Mähschafe eine Pause, und ihre Hüter können sich ohne Hektik der Pflege und Hege ihrer Klingen, Gatter und Ladeställe widmen.

Mehr Infos:

Mähroboter. Zur Rehabilitation der elektrischen Schafe sei gesagt, dass sie auf halbwegs ebenen, steinfreien und sorgfältig unterirdisch umzäunten Rasenflächen brav ihren Dienst tun.

Nachtkerze. Sie ist eine der besten wilden Stauden überhaupt, sät sich die gelbe Schönheit schließlich in Massen selbst aus. Geblüht wird allerdings erst im zweiten Jahr, lassen Sie die Blattrosetten also an passenden Stellen stehen.

Nachtschwärmer. Sie lieben die Nachtkerzenblüten. Allein schon deshalb, und auch um das schwirrende Spektakel in der Dämmerung beobachten zu können, muss man diese am besten an einer trockenen und kargen Stelle aussäen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2019)

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