Der verleugnete russische Atomunfall

In der Atomanlage Majak herrscht Geheimhaltung: verrostetes Warnschild in Muslyumovo, 30 Kilometer von Majak entfernt.
In der Atomanlage Majak herrscht Geheimhaltung: verrostetes Warnschild in Muslyumovo, 30 Kilometer von Majak entfernt. REUTERS
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Im Herbst 2017 reiste eine radioaktive Wolke über Europa, die offensichtlich aus dem Ural kam. Nun können Physiker ihre Entstehung erklären: Viele Indizien sprechen für einen Unfall bei der Wiederaufbereitung von Kernbrennstoff. Dahinter steckt wohl ein Auftrag aus Italien.

Geringe Mengen Ruthenium-106 in der Luft über Österreich nachgewiesen“: Diesen Titel trug am 3. Oktober 2017 eine Meldung der Austria Presse Agentur. Sie regte niemanden besonders auf – Auswirkungen auf Bevölkerung und Umwelt seien auszuschließen, hieß es gleich aus dem Umweltministerium –, vielleicht auch, weil das Element Ruthenium deutlich weniger berühmt bzw. berüchtigt ist als Jod, Cäsium oder Uran.

Immerhin wurde im Herbst 2017 in vielen Ländern Europas, aber auch auf der arabischen Halbinsel eine Wolke mit radioaktivem Ruthenium-106 gemessen, mit Aktivitäten bis zu 176 Millibecquerel pro Quadratmeter Luft. (Becquerel ist eine Einheit für die Anzahl radioaktiver Zerfälle pro Sekunde, egal welche Atome zerfallen.) Das ist wirklich nicht viel, nach Tschernobyl wurden in Österreich in der Luft bis zu 10 Becquerel pro Quadratmeter gemessen, also fast 60 Mal so viel.

Zuletzt im Fallout von Tschernobyl

Dennoch fragt sich: Woher kam dieser radioaktive Stoff? Das Isotop 106Ru, mit einer Halbwertszeit von 373 Tagen recht langlebig, war etwa nach dem Unfall in Fukushima nicht in der Umwelt nachweisbar, zuletzt wurde es im Fallout von Tschernobyl identifiziert.

Bei der Suche nach der Quelle war das informelle europaweite Netzwerk von Messstationen sehr hilfreich; 69 Wissenschaftler – darunter einige von der TU Wien – stehen nun unter der Publikation in Pnas (29. 7.), federführend sind Olivier Masson vom französischen Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire und der Wiener Chemiker Georg Steinhauser, derzeit an der Uni Hannover. „Es war definitiv kein Reaktorunfall“, fasst Steinhauser zusammen, „sondern mit größter Wahrscheinlichkeit ein Unfall in einer Wiederaufbereitungsanlage.“

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