Ein vegetarisch-veganes Teecafe

Inge Schedler und Claudia Schumm (von li.) mögen es bunt – im Team und im Raum.
Inge Schedler und Claudia Schumm (von li.) mögen es bunt – im Team und im Raum. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit ihrem „JOE teecafe“ in Perchtoldsdorf wollen zwei Frauen mit ihrem bunten Team auch die Jugend fördern.

Ein großes Tor führt von der ruhigen Leonhardiberggasse in den Innenhof, der zum „Hyrtl-haus“ gehört. Der Asphalt da drinnen ist mit Straßenkreide bemalt, die Hauswände sind von Blumentöpfen umringt. Das Glasfenster in der Eingangstür erlaubt einen Blick zur hölzernen Bar im Inneren des Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert. Holz und Farbe dominieren hier.

Drinnen ist es wohlig warm, ein riesiger Luster erhellt den Raum. Orientalische Muster zieren als Tapete eine hohe Wand, die anderen sind in der Farbe Eierschale gestrichen. Blau, bunt gestreift, rot und olivgrün sind die Sofasessel, Bänke und ein paar der Stühle – kaum eine Sitzgelegenheit gleicht der anderen. Die restlichen Möbel sind aus dunklem und hellem Holz. Die Einrichtung widerspiegelt den Geist des Lokals: bunt zusammengewürfelt.

Im Mai des heurigen Jahres sind Claudia Schumm und Inge Schedler mit ihrem „JOE teecafe“ hier ins Hyrl-haus in Perchtoldsdorf eingezogen. JOE – das steht für „Jugend(lich) ohne Ende“. Und für Joseph „Joe“ Hyrtl, ein berühmter Arzt und Wohltäter im Dorf, dessen Haus nach seinen Lebzeiten von 1810 bis 1894 noch heute seinen Nachnamen trägt. Schumm hat es sich als ausgebildete Architektin zur Aufgabe gemacht, den Platz konzeptionell zu verändern. Besonders wichtig: Farbe und Feng-Shui. Denn vorher war der Raum „finster, dreckig und fensterlos“ und als Jugendzentrum nicht mehr zeitgemäß, wie sie sagt.

Mit ihrem vegetarisch-veganen „teecafe“ – sie wollen sich im Namen nicht auf Kaffee beschränken – haben sich die beiden einen langersehnten Traum erfüllt. Und um der Jugend einen Platz zum Verweilen zu bieten, gibt es gegenüber einen Aufenthaltsraum, der ohne Konsumzwang genutzt werden darf. Dort bietet zum Beispiel die Künstlerin Andrea Winter ab September wöchentlich einen Kreativ-Workshop an. Zum Schnuppern können sich die Jugendlichen online auf der JOE-Webseite anmelden.

Weitergeführtes Sozialprojekt

Für die zwei Frauen ist das Lokal aber keine Arbeit im klassischen Sinn der Gastronomie. Besonders wichtig für sie sei, einen Beitrag zur Sozialarbeit zu leisten. Schedler gründete gemeinsam mit einer Freundin im Jahr 2015 ein Flüchtlingsnetzwerk hier im Dorf, als Perchtoldsdorf zur Integrationsgemeinde wurde. Schumm unterstützte im gleichen Jahr die Flüchtlingshilfe in Traiskirchen – der Koch im JOE stammt aus ihrer „Schützlingsgruppe“. Ein Projekt hat die beiden Frauen zusammengeführt und heute sind sie stolz auf ihren syrischen Barista, den persischen Koch und den afghanischen Putzmann.

„Man merkt, dass ihnen die Arbeit Spaß macht. Sie sind mit Leidenschaft und Ehrgeiz dabei“, sagt Schedler. Seit der Eröffnung werden aber alle bezahlt. Die Kuchenbäckerin, die eigentlich Opernsängerin ist, kommt erst nach der Sperrstunde in die Küche. Untertags gäbe es nicht genügend Platz. Deshalb können auch Lebensmittel nicht lange gelagert werden. „Wir kaufen regional und frisch“, sagt Schumm, „und Bio sowieso. Nur, wenn uns etwas ausgeht, greifen wir auf Obst und Gemüse von Großhändlern zurück.“ Anfangs seien vor allem ältere Besucher bezüglich der Speisekarte sehr skeptisch gewesen: „Ist wirklich alles vegetarisch und vegan? Gibt es nicht einmal ein bisschen Schinken?“ Vor allem bei Mädchen kämen die Speisen aber sehr gut an.

„Man merkt, dass es bei der jungen Generation ein Umdenken gibt. Das freut uns sehr“, sagen Schedler und Schumm. Ihr persischer Koch lässt neben Salaten, Toasts, Gemüse und Tofu Orientalisches wie Zitronenhummus in die Speisekarte einfließen. Zum Kennenlernen gibt es ein Überraschungsmenü aus „dreimal salzig und zweimal süß“. Eine saisonale Eintopfkreation kommt täglich auf den Tisch.

Fair Trade 2.0

Beim Kaffee kooperieren sie mit Radiomoderator und Kaffeeröster Klaus Gesselbauer. „Direct Trade ist das neue Fair Trade“, sagen die zwei. Ihr Kaffeelieferant hat direkten Kontakt zu den Bauern rund um den Äquator, von wo er die Bohnen bezieht. Derzeit ist das JOE auf Urlaub, aber ab 24. August wieder mit Hummus & Co. zurück.

Zu den Personen

Claudia Schumm war ursprünglich als Innenarchitektin tätig. Sie ernährt sich seit einigen Jahren vegetarisch und kocht auch für ihre Kinder weder Fisch, noch Fleisch.

Inge Schedler lebt in Perchtoldsdorf und gründete dort 2015 ein Flüchtlingsnetzwerk. Sie vermittelte Geflüchtete zum Beispiel zu alleinstehenden Senioren.

Die beiden lernten einander über die Flüchtlingshilfe kennen und gründeten auf Vorschlag der Gemeinde, das Hyrtlhaus zu beleben, das „JOE teecafe“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2019)

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