Der deutsche Regisseur Ulrich Rasche über krude Männerfantasien, den Aufstieg Rechtsradikaler, die Zukunft der EU und Euripides' orgiastische „Bakchen“ im Burgtheater.
Frauen feiern, vom Theatergott Dionysos verführt, eine Orgie in den Bergen, eine Mutter zerreißt dabei ihren eigenen Sohn, der König von Theben ist. Wie geht es Ihnen mit Euripides' „Bakchen“ aus dem Jahr 405 v. Chr.? Die Tragödie wird ab 12. September im Burgtheater zu erleben sein. Haben Sie schon Albträume von wilden Frauen?
Ulrich Rasche: Nein, ich inszeniere keine wilden Frauen. Ich halte das Stück nicht für eine krude Männerfantasie. Deshalb geht es in dieser Aufführung auch nicht um Geschlechtlichkeit, sondern um die Frage, wer könnte heute diese – bei mir übrigens gemischte – Gruppe sein, die sich einem sogenannten Gott anschließt, der auftaucht und erklärt: „Ich fordere hier und jetzt meine Rechte ein!“
Dionysos ist aber doch eindeutig ein Gott.
Eben nicht. Erstens tritt er in Menschengestalt auf, und zweitens gibt es wichtige Figuren in dem Stück, die seine Göttlichkeit bestreiten. Eindeutig ist gar nichts. Dionysos sagt, die Gesetze der Stadt Theben sind nicht weiter gültig. Die Bewohner sollen sich auf die ihnen innewohnenden Kräfte besinnen. Sie sollen Dionysos folgen und alles liegen und stehen lassen, woran sie bisher geglaubt haben.