ÖFB-Präsident Leo Windtner hofft auf eine Infrastrukturoffensive mit neuer Heimstätte sowie Trainingszentrum für das Nationalteam – und ein eigenes Sportministerium.
Wien. Drei Wochen vor der Nationalratswahl hat ÖFB-Präsident Leo Windtner einen Appell an die kommende Bundesregierung gerichtet. Der Sport würde ein eigenes Ministerium verdienen und sollte künftig nicht mehr als „Anhängsel“ geführt werden, meinte der Oberösterreicher. Dazu warb der Chef des größten heimischen Sportfachverbandes um eine Infrastrukturoffensive. „Wir brauchen wieder einen Anwalt des Sports“, erklärte Windtner. Bezüglich der Parteizugehörigkeit gebe es keine Präferenz. „Es soll eine Person sein, die den Sport im Herz hat und nicht auf den Lippen.“ In der im Mai gesprengten türkis-blauen Regierung war der Sport im Beamtenministerium des damaligen Vizekanzlers, Heinz-Christian Strache (FPÖ), angesiedelt.
„Das Wesentlichste ist, dass die kommende Bundesregierung den Stellenwert des Sports und die Wertigkeit des Sports endlich einmal richtig einschätzt“, sagte Windtner und verwies auf Leistungen in den Bereichen Integration, Soziales und Gesundheit. Der Präsident des Fußball-Bundes forderte eine angemessene Steuerpolitik, etwa Erleichterungen für Ehrenamtliche.
Der ÖFB-Chef ist auch Vizepräsident der Bundes-Sportorganisation (BSO), der Dachorganisation aller heimischen Fachverbände. Bis Dienstag sind die Wahlvorschläge für einen Nachfolger des im August verstorbenen Präsidenten Rudolf Hundstorfer einzubringen. Windtner wird sich nicht um das Amt bewerben.
Bauen für den gesamten Sport
Ein besonders brennendes Thema ist die Infrastruktur. Dabei gehe es laut Windtner nicht nur um ein mögliches Nationalstadion und ein nationales Trainingszentrum für den Fußball, sondern auch um Sportstätten für Schwimmer, Volleyballer oder Leichtathleten. „Da sind wir ins Hintertreffen geraten“, betonte der Oberösterreicher.
Im Fußball führt die Uefa Österreich in ihrem Sportstätten-Ranking unter 55 Nationen unter den letzten 15. EM-Qualifikationsgegner Nordmazedonien hat ein neues Trainingszentrum gebaut, in Albanien und Weißrussland sind neue Stadien entstanden. Selbst in der jungen Republik Kosovo gibt es bereits sehr konkrete Pläne. „Da müssten es Volkswirtschaften wie Österreich doch auch wert finden, diesen Beitrag für die Bevölkerung zu leisten“, meinte Windtner.
Die vom Wiener Sportstadtrat Peter Hacker zuletzt genannten Kosten von 300 bis 400 Millionen Euro für den Neubau im Wiener Prater bezeichnete der ÖFB-Chef als völlig überzogen. „Das ist fernab einer wirklich seriösen Einschätzung.“ Experte Claus Binz vom deutschen Institut für Sportstättenberatung hätte Zahlen vorgelegt, wonach man ein Stadion für 50.000 Zuschauer „um 150 Millionen Euro bauen kann“.
Mit einer Gegenfinanzierung könnten die Kosten für die öffentliche Hand – aufgeteilt auf Bund und Gemeinde – laut Windtner auf rund 100 Millionen gesenkt werden. Optionen dafür wären etwa eine Nachnutzung des Ernst-Happel-Stadions für Wohnungen und Geschäfte oder namensgebende Partner für das neue Stadion gewesen. „Es gibt durchaus Interesse der Wirtschaft“, so Windtner. Nach dem klaren Nein der Stadt Wien zu einem Neubau sollen Machbarkeitsstudien zu den angedachten Standorten in Niederösterreich erhoben werden. „2020 wollen wir zu Konkreterem schreiten.“ Dann sollte auch bereits ein neuer Sportminister im Amt sein.
Das Trainingszentrum an ein neues Stadion anzuschließen wäre laut Windtner „vernünftig“, aber nicht zwingend notwendig. „Zwingend ist, dass wir eines brauchen. Derzeit sind wir Wandervögel.“ Auf die jüngsten Länderspiele bereitete sich das Nationalteam etwa auf dem Trainingsplatz eines Hotels in Saalfelden vor. Eine Heimstätte sei jedoch wichtig, darauf würden auch die Teamspieler, die von ihren Klubs hohe Standards gewohnt sind, hinweisen. Sollte die EM-Teilnahme 2020 gelingen, würde das ÖFB-Team während des Turniers auch ohne Trainingszentrum im eigenen Land logieren – laut Windtner voraussichtlich im Burgenland. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2019)