Das ÖFB-Team hat nach dem 0:0 in Polen zwar alles selbst in der Hand, jeder Punktverlust in den letzten vier Spielen könnte aber gleichbedeutend mit dem Scheitern sein.
Das Unentschieden in Polen Sonntagabend mag für die österreichische Fußballnationalmannschaft nur auf den ersten Blick einen gewonnener Punkt gebracht haben. Aufgrund der Tabellensituation vier Spiele vor dem Ende der EM-Qualifikation liegt der Verdacht nahe, es könnten vielmehr zwei verlorene Punkte sein. Die Kernthemen vor dem Quali-Finish.
1 Die Ausgangslage ist gut, aber zugleich trügerisch
Nach sechs von zehn Spieltagen liegt Österreich auf dem dritten Tabellenrang. Das würde aktuell nicht zur erfolgreichen EM-Qualifikation reichen – nur die Top zwei lösen ein Endrunden-Ticket – die ÖFB-Elf hat allerdings als einzige Mannschaft bislang zwei Mal gegen den vermeintlichen Gruppenfavoriten Polen gespielt.
Vorausgesetzt, die Nummer 20 der Weltranglisten qualifiziert sich, so empfängt Österreich zwei (Israel, Nordmazedonien) der drei direkten Konkurrenten um einen EM-Startplatz noch vor Heimpublikum in Wien. Das nach derzeitigem Stand aber womöglich entscheidende Spiel steigt am 13. Oktober in Laibach. Verlieren sollten Marko Arnautović und Co. in Slowenien keinesfalls, unter Umständen ist in der Endabrechnung sogar ein Unentschieden zu wenig.
Der fatale Fehlstart – Niederlagen gegen Polen und in Israel – erlaubt bis zum Ende dieser Qualifikation keine weiteren Ausrutscher. „Wir stehen seitdem permanent unter Druck. Das verfolgt uns“, klagt Teamchef Franco Foda.
2 Lichtblicke: Österreichs Team hat neue Optionen
Die beiden vergangenen Spiele gegen Lettland und Polen haben gezeigt, dass Österreichs Team auch Ausfälle zu verkraften weiß. Im Tor machte Lindner-Ersatz Cican Stankovic eine gute Figur, er verhinderte in Polen mit einer Glanztat das 0:1. Zumindest aktuell hat der ÖFB kein Torhüter-Problem.
Der Ausfall von Abwehrchef Martin Hinteregger hätte Foda vor dem Anpfiff in Warschau ein paar Sorgenfalten auf die Stirn treiben können, mit Hoffenheim-Legionär Stefan Posch aber fand er den perfekten Ersatz. Der 22-Jährige machte seine Sache neben einem wiedererstarkten Aleksandar Dragović sehr gut. Allein das Wissen, guten Ersatz im Talon zu haben, ist Gold wert – und eröffnet neue Möglichkeiten. Foda: „Es ist ganz wichtig, dass man Ausfälle verkraften kann und man weiß, dass man junge Spieler hat, die man jederzeit bringen kann.“
3 Die entscheidende Frage nach der aktuellen Form
Einige Spieler wie Dauerläufer Konrad Laimer, Dragović oder auch Marcel Sabitzer präsentierten sich diesmal in starker Form. Beim nächsten Länderspieldoppel gegen Israel (10. Oktober) und drei Tage später in Slowenien wird die Tagesverfassung eine ganz entscheidende Rolle spielen. Zudem gilt es, den Schwung der vergangenen Spiele mitzunehmen. Eine Entwicklung ist definitiv festzustellen. „Die Mannschaft ist viel stabiler geworden, sie ist gereift.“ Wie reif sie tatsächlich ist, wird sich in einem Monat zeigen.
4 Kein überzogener Optimismus oder gar Arroganz
Österreich ist nach zehn Punkten aus den vergangenen vier Spielen zwar wieder in der Verlosung um eines der beiden EM-Tickets in Gruppe G, hat aber noch nichts erreicht. Im Gegenteil: Die Mannschaft ist nach wie vor unter Zugzwang, muss liefern. Es wäre nicht das erste Mal, würde sich die ÖFB-Auswahl aufgrund einzelner Erfolgserlebnisse überschätzen und den Boden unter den Füßen verlieren. Die geschaffte EM-Qualifikation 2016 und der darauf folgende Absturz dienen als mahnendes Beispiel. Auch unter Foda hat man schon Höhen und Tiefen erlebt: Nach den starken Leistungen und Ergebnissen in Testspielen gegen Deutschland oder Russland folgte die Ernüchterung in der Nations League und der katastrophale Start in die EM-Qualifikation.
EM-Qualifikation Gruppe G
1. Polen
2. Slowenien
3. Österreich
4. Nordmazedonien
5. Israel
6. Lettland
Sechster von zehn Spieltagen: Polen – Österreich 0:0, Slowenien – Israel 3:2, Lettland – Nordmazedonien 0:2.
ÖFB-Fahrplan: 10. Oktober: Österreich – Israel, 13. Oktober: Slowenien – Österreich. 16. November: Österreich – Nordmazedonien, 19. November: Lettland – Österreich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2019)