Olga Tokarczuk gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Polens. Auch sie ist gut gereiht.
Literatur

Nobelpreis: Erstmals Doppelvergabe, mehrere Frauen als Favoriten

Anne Carson, Maryse Condé oder doch Margaret Atwood? Einige Frauen liegen bei den Wettern auf Top-Plätzen. Peter Handke schafft es gerade noch unter die Top 20.

Es ist eine Ausnahmesituation: Am 10. Oktober werden sich gleich zwei Schriftsteller über die Zuerkennung des Literaturnobelpreises freuen können. Nach einem heftigen Skandal und darauf folgenden Austritten in der Schwedischen Akademie wurde die Vergabe 2018 ausgelassen. Die beiden Nachfolger von Kazuo Ishiguro werden am Donnerstag gleichzeitig bekanntgegeben.

Und wer hat gute Chancen auf den Preis? Beim britischen Wettanbieter Nicerodds liegen derzeit zwei Frauen an der Spitze: die kanadische Dichterin Anne Carson und ihre aus Guadeloupe stammende Kollegin Maryse Condé. Knapp dahinter ex aequo die Chinesin Can Xue (Pseudonym), die Russin Ljudmila Ulizkaja, der Japaner Haruki Murakami (der mittlerweile schon oft sehr weit vorne lag) sowie der Kenianer Ngugi Wa Thiong'o. Gute Chancen werden auch der Kanadierin Margaret Atwood, der Amerikanerin Marilynne Robinson, der Polin Olga Tokarczuk und dem Ungarn Péter Nádas eingeräumt.

Auf den weiteren Plätzen finden sich weitere große Namen wie Adonis, Mircea Cartarescu oder Ismail Kadaré. Für den in den vergangenen Jahren immer wieder gelisteten Österreicher Peter Handke gilt bei Nicerodds derzeit - ebenso wie für Jon Fosse, Javier Marias oder Milan Kundera - eine Wettquote von 21 zu eins.

Nobelpreis fuer Literatur
Nobelpreis fuer LiteraturAPA

Anne Carson, die erste Frau an der Spitze bei den Wetten, kann hierzulande noch als Geheimtipp gelten. In der englischsprachigen Hemisphäre zählt die kanadische Dichterin und Altphilologin zu den bedeutendsten Dichterinnen der Gegenwart. Auf Deutsch erschienen mit "Rot" zuletzt im Fischer-Verlag "zwei Romane in Versen“. Carson doch Professorin für altgriechische Literatur und übersetzte unter anderem Aischylos' "Agamemnon", Sophokles' "Elektra" oder Euripides' "Orestie" für ein New Yorker Theater ins Englische. In "Rot" erzählt sie von Herakles, der als 16-jähriger Homosexueller in der Gegenwart lebt und den 14-jährigen Geryon verführt, der in dem Roman von seinem Leben erzählt.

Über zwei Dutzend Bücher hat Carson seit ihrer Dissertation im Jahr 1986 ("Odi et Amo Ergo Sum") veröffentlicht, davon finden sich bisher nur einige in deutscher Übersetzung wieder, darunter neben den bereits genannten der nicht mehr lieferbare Band "Glas, Ironie und Gott - fünf epische Gedichte und ein Essay über das Geschlecht des Klanges" im Jahr 2000. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen zählt u.a. 1998 das Guggenheim Fellowship, der Griffin Poetry Prize (2001 und 2014), der T. S. Eliot Prize (beide 2001) oder der "PEN Award for Poetry in Translation" (2010). Anne Carson ist Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters und erhielt 2012 die Ehrendoktorwürde der University of Toronto.

Die zweite Frau, die bei dem Ranking ganz oben zu finden ist, ist Maryse Condé. Die 81-jährige karibische Dichterin gewann im Vorjahr den für den abgesagten Literaturnobelpreis ins Leben gerufenen "Literaturpreis der Neuen Akademie". Von ihrem breiten, Romane, Erzählungen, Essays, Kinderbücher und Theaterstücke umfassenden Werk wurde nur wenig auf Deutsch übersetzt.

Mit dem Roman "Segu. Mauern aus Lehm" (1988) schaffte sie den Durchbruch. Das Buch handelt vom Untergang der Stadt Segu und erzählt über die Rivalität der Religionen und Ethnien, über Sklavenhandel, Liebe und Familie. Außerdem wurden "Ich, Tituba, die schwarze Hexe von Salem" (1988), "Unter den Mangroven" (1991) sowie "Wie Spreu im Wind" (2004) übersetzt. In dem Erzählband "Victoire. Ein Frauenleben im kolonialen Guadeloupe" (2011) hat sie ihrer Großmutter in einem Sittengemälde der französischen Karibik zur Kolonialzeit des 19. Jahrhunderts ein literarisches Denkmal gesetzt.

1953 ging die "Weltbürgerin, die sich nie scheute, gegen den Strom zu schwimmen" ("Neue Zürcher Zeitung"), nach Paris, wo sie später an der Sorbonne Vergleichende Literaturwissenschaft studierte. Ihre Doktorarbeit befasste sich mit Stereotypen von Schwarzen in der westindischen Literatur. In den 1960er-Jahren lebte sie nach der Heirat mit einem guineischen Schauspieler in Mal, Guinea, Ghana und Senegal. An der Sorbonne und an der Columbia University lehrte sie frankophone afrikanische Literatur. Heute lebt sie ihrem zweiten Ehemann, dem Übersetzer Richard Philcox, abwechselnd in Guadeloupe und New York.
(APA/red.)

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