Nachbericht. 46.747 Teilnehmer diskutierten auf Europas größter Gewerbeimmobilienmesse Anfang Oktober über Entwicklungen der Immobilienbranche. Die Topthemen: politische Unsicherheiten, leistbares Wohnen und Nachhaltigkeit.
„Die Expo ist wie eine Oscar-Nacht“, meint Thomas Winkler von UBM Development. „Man trifft und präsentiert sich und knüpft Kontakte.“ Die Messe, sagt er gut gelaunt, eigne sich allerdings mehr als „Speed-Dating-Plattform“, denn als Forum für „seriöse Geschäftsanbahnung“. Tatsächlich, viel Zeit und Raum für intensive Gespräche bleibt kaum.
Am Mittwoch ging die heurige Expo Real, die als Trendbarometer für die Entwicklungen auf dem europäischen Immobilienmarkt gilt, zu Ende. „Die Expo war größer und internationaler denn je“, berichtet Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München. Ein Highlight war die neu eröffnete Halle Nova3, die als Plattform für Start-ups und andere junge Tech-Unternehmen diente, um neue Marktlösungen und Innovationen zu präsentieren. „Wir sind beeindruckt, wie gut dieses neue Angebot angenommen wurde“, berichtet Dittrich.
Wird es in zwanzig Jahren überhaupt noch eigene Wohnungen geben?
Wolfdieter Jarisch, S+B Gruppe
Innovative Ideen wurden nicht nur in der neuen Halle vorgestellt, sondern auch in zahlreichen Foren und Vorträgen besprochen: Wie Stadtteile der Zukunft auszusehen haben und welche Anforderungen der Mensch an digitale Lebensräume stellt, wurde etwa bei Vorträgen wie „The Future of Urban Planning“ thematisiert.
Innovation und Nachhaltigkeit
Die Hotelbranche beschäftigte sich mit Innovationen im Bereich Sozial- und Pflegeimmobilien. Auch das Thema neue Wohnformen bewegte die Branche: Trends, wie der stetig steigende Anteil an Singlehaushalten oder die wachsende Anzahl an Senioren wurden diskutiert. „Wird es in zwanzig Jahren überhaupt noch eigene Wohnungen geben?“, fragte etwa Wolfdieter Jarisch von der S+B Gruppe, der mit Projekten in der Donaustadt auf smarte Eigentumswohnungen setzt – und damit auf QR-Codes, Gesichtserkennung oder einen Drohnenlandeplatz.

Das Thema Nachhaltigkeit fand wie auch im Vorjahr Platz auf der Messe, die heuer mit besonders vielen hölzernen und begrünten Messeständen überraschte. So etwa beim Stand von Drees & Sommer, der auf unbeschichtetem Holzboden errichtet wurde. Er folge, so erzählt Geschäftsführer Marc Guido Höhne, nachhaltigen Cradle-to-Cradle-Prinzipien, wonach verwendete Materialien wieder dem technischen oder biologischen Kreislauf zugeführt werden. Daran, meint er, müsse sich die Bauwirtschaft ein Beispiel nehmen, schließlich sei sie für 60 Prozent der weltweiten Abfälle verantwortlich. Passend dazu wurde beim Vortrag „Generation Greta zuhören“ die Sinnhaftigkeit einer Klimasteuer auf Immobilien besprochen.
Droht die Blase zu platzen?
Auch die Frage nach dem Zusammenspiel von stetigem Marktwachstum und Nachhaltigkeit wurde gestellt. Präsent waren zudem die Themen Politik und Wirtschaft. So wurde hitzig über leistbares Wohnen, von Mietpreisdeckel bis zur Verdichtung der Städte, diskutiert und über einen drohenden Abschwung und politische Schwierigkeiten gesprochen. Michael Trumpp von Savills Investment meint dazu, es sei die Herausforderung der Zukunft „den Gedanken des gemeinsamen Wirtschaftsraums nicht nur zu Ende zu denken, sondern auch entsprechend zu handeln“. Auch Höhne zeigt sich besorgt: „Betrachtet man einige singuläre Märkte, droht uns durchaus eine Blase. Ich glaube aber, solang die Märkte nicht komplett überhitzen, können wir ihr ausweichen.“ Gabriel Felbermayer, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, hält einen Abschwung für unwahrscheinlich: „Wir sind in einer Rezession, aber es ist keine, vor der wir uns sehr fürchten müssen.“ Schließlich, und damit gibt er die positive Stimmung auf der Messe wieder, sei die Immobilienwirtschaft eine der wenigen Branchen, die von Unsicherheit profitiere.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2019)