KONSTITUIERENDE SITZUNG DES NATIONALRATES: KOGLER
Nationalrat

Grüne Rückkehr, Hofers Wiederwahl, Straches Ausschluss

Die FPÖ schließt Philippa Strache während der laufenden konstituierenden Nationalratssitzung aus der Partei aus.

Wien. Sie sind zurück. Zwei Jahre lang mussten die Grünen das Geschehen im Parlament aus der Ferne beobachten, am Mittwoch durften sie selbst wieder im Nationalratsplenum im Redoutensaal der Hofburg Platz nehmen. Mit Kräutertöpfen ausgestattet ziehen die 26 Abgeordneten geschlossen über den Josefsplatz und in die Hofburg ein. Parteichef Werner Kogler, der neue Popstar der Partei, kann beim Eingang gleich einen alten Bekannten begrüßen: Alt-Nationalrats- und -Bundespräsident Heinz Fischer stattet der Angelobung der neuen Abgeordneten ebenso einen Besuch ab wie der aktuelle Bundespräsident, Alexander Van der Bellen, der sich direkt nach seiner Japan-Reise ins Parlament begibt.

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Der Empfang für die Grünen ist jedenfalls freundlich. ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der sich mitten in intensiven Sondierungsgesprächen mit Kogler für eine Regierungsbildung befindet, gratuliert ihnen zur Rückkehr ins Parlament, Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger spricht vom „größten Comeback seit Lazarus“. Nur die FPÖ nützt schon die erste Nationalratssitzung, um sich auf die Öko-Partei einzuschießen. Klubchef Herbert Kickl, der seine Rede noch damit eingeleitet hatte, dass man zu einem besseren Umgang miteinander finden müsse, spricht wenige Minuten später von einer „knallroten linkslinken Gesinnung“ bei den Grünen, davon, dass sie über einen eingeschränkten Horizont verfügen würden und die Demokratie nicht verstanden hätten.

»Ich schätze die unaufgeregte Art des jetzigen Präsidenten.«

Jörg Leichtfried (SPÖ) über Wolfgang Sobotka, der diesmal bei seiner Rede ruhig blieb.

Die Konfrontation gleich in der ersten Sitzung liegt nicht nur an den traditionellen Gegensätzen zwischen den Freiheitlichen und den Grünen, sondern auch daran, dass die Grünen eine alte Tradition wieder aufleben ließen. Oder war es eine Usance? Die Frage, was Usancen sind und wie sehr man diesen folgen sollte, wird noch eifrig diskutiert in dieser Parlamentssitzung.

Jedenfalls stellen die Grünen wieder einmal eine Kandidatin auf für den Posten des Dritten Nationalratspräsidenten, der laut den langjährigen Usancen der drittstärksten Partei, also der FPÖ, gehört. Eva Blimlinger, die ehemalige Rektorin der Angewandten, sei ein Angebot an all jene, die mit den „Einzelfällen“ in der FPÖ und deren mangelnder Abgrenzung zu den Identitären ein Problem hätten, begründet Parteichef Kogler die Kandidatur.

»Wer rechts mit rechtsextrem gleichsetzt, hat die Demokratie nicht verstanden.«

Herbert Kickl, FPÖ-Klubchef

Das stößt bei den anderen Parteien auf wenig Gegenliebe. Sowohl ÖVP-Chef Sebastian Kurz als auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner begründen ihr Votum für den von der FPÖ ins Rennen geschickten Parteichef Norbert Hofer mit den Usancen des Hohen Hauses. Kurz fügt noch an, wie gut er mit Hofer in der Regierung zusammengearbeitet habe.

Beate Meinl-Reisinger gibt für die Neos die Abstimmung frei. Wobei sie die Grünen dafür kritisiert, dass sie eine Kandidatin aufgestellt haben, die über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügt. Sie selbst werde sich an die Usancen halten. Wobei sie über den Begriff selbst philosophiert: Nicht alles, was eine Gewohnheit ist im Hohen Haus, ist auch schon eine Usance: „Wenn der Niki Scherak (Anm.: Meinl-Reisingers Stellvertreter in Klub und Partei) immer fünf Minuten zu spät kommt, ist das noch keine Usance.“ Aber, und da waren sich viele Abgeordnete einig: Es habe schon seinen Sinn, dass die drittstärkste Partei den Nationalratspräsidenten stellt. Sonst könnte künftig eine Koalition das Nationalratspräsidium im Alleingang besetzen.

Dass die grüne Gegenkandidatur von Erfolg gekrönt sein wird, war nicht zu erwarten. Nicht nur, weil Blimlinger die parlamentarische Erfahrung fehlt, sondern auch, weil die FPÖ diesmal mit Norbert Hofer einen Kandidaten aufgestellt hat, der das Amt schon einmal ausgeübt hat und dabei auf wenig Kritik gestoßen war. So ist die Wahl auch eine klare Sache: Hofer erhält 123 von 166 gültigen Stimmen und schafft damit 74,1 Prozent. Für Blimlinger stimmen nur 34 Abgeordnete, also gerade einmal um acht mehr, als der grüne Klub Mitglieder aufweist. Neun Stimmen gehen an andere Abgeordnete. Ein noch besseres Ergebnis als Hofer erhalten Wolfgang Sobotka (143 von 163 Stimmen, 88 Prozent Zustimmung) als Erster Präsident und Doris Bures (142 von 171 Stimmen, 83 Prozent Zustimmung) als Zweite Präsidentin.

»Wenn Niki Scherak immer fünf Minuten zu spät kommt, ist das noch keine Usance.«

Beate Meinl-Reisinger, Neos-Klubchefin

Eine hat da gar nicht mehr mitgewählt: Philippa Strache hat die Nationalratssitzung schon vor der Wahl der Präsidenten verlassen. Der Ehefrau des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache gilt ein guter Teil der Aufmerksamkeit bei dieser ersten Nationalratssitzung. Ganz in Schwarz gekleidet entzieht sich Strache dem Medienrummel, indem sie den Plenarsaal über einen Seiteneingang betritt. Zu diesem Zeitpunkt ist sie – da sie nicht in den freiheitlichen Klub aufgenommen wurde – wilde Abgeordnete, aber immer noch Mitglied der FPÖ. Die Wiener Landespartei hat am Mittwoch zu Mittag mitgeteilt, dass sie den Ausschluss noch nicht vollzogen und sich Bedenkzeit erbeten hat. Aus anderen Bundesländern mehren sich da aber schon die Stimmen, die für einen Schlussstrich unter die Zusammenarbeit mit Philippa Strache plädieren.

Strache nimmt, wie schon vorher bekannt, nicht unter den freiheitlichen Abgeordneten Platz, sondern hat von der Präsidiale einen einsamen Sitz in der letzten Reihe, hinter den SPÖ-Abgeordneten, zugewiesen bekommen. Von dort aus verfolgt sie wortlos die Sitzung. Bei der Debatte über die Präsidenten geht sie nicht ans Rednerpult. Als wilde Abgeordnete hätte sie fünf Minuten lang sprechen dürfen.

Um Punkt 16 Uhr meldet die FPÖ per Aussendung, dass Philippa Strache nicht mehr Mitglied der Freiheitlichen Partei ist. Ausschlaggebend für den Ausschluss sei die schriftliche Stellungnahme gewesen, in der sie bekannt gegeben hatte, dass sie ihr Mandat annimmt, und in der sie sich über eine Diffamierungskampagne der FPÖ gegen ihre Person beklagt hatte. Das sei parteischädigendes Verhalten, so die FPÖ. Ausgeschlossen hat sie Parteichef Norbert Hofer persönlich. Der Zeitpunkt war kein Zufall: Durch die Angelobung im Nationalrat wurde Strache Mitglied der freiheitlichen Parteileitung. Und erst damit wurde Hofer für den Ausschluss zuständig.

Philippa Strache dürfte von dieser Entwicklung kurz davor erfahren haben. Sie verlässt jedenfalls ihre erste Nationalratssitzung lang vor deren Ende und noch vor der Wahl der Nationalratspräsidenten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2019)

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