Der Chef des Ölkonzerns soll wegen „Völkermord und Ökozid“ beim Internationalen Strafgerichtshof verklagt werden.
Der Neuseeländer Mike Smith schaut die Journalisten ernst an. Die Tätowierungen in seinem Gesicht kennzeichnen, dass er dem Māori-Stamm „Ngapuhi“ angehört, der indigenen Bevölkerung in Neuseeland. „Ich nehme die Sache nicht auf die leichte Schulter“, sagt der Klimaaktivist.
Smith will Rainer Seele, den Chef des heimischen Ölkonzerns OMV, verklagen. Die Klage soll unter anderem lauten: „Völkermord und Ökozid“.
Ölbohrungen zerstören Lebensgrundlage der Māori
Die OMV plant Öl- und Gasbohrungen vor der neuseeländischen Küste Taranakis. Damit werde die Lebensgrundlage der indigenen neuseeländischen Bevölkerung zerstört, wirft der Māori-Vertreter Seele vor. Die Māori würden etwa 18 Prozent der neuseeländischen Bevölkerung ausmachen, sagt Smith zur „Presse“.
Die OMV hält sieben Lizenzen zur Produktion und sieben Genehmigungen zur Exploration in Neuseeland. Seit 1999 ist der Ölkonzern auf dem Inselstaat tätig. Die letzten Lizenzen dort erwarb OMV mit der Akquisition des Shell-Geschäfts im vergangenen Jahr. Der Staat kassiert im Gegenzug Fördersteuer. Auch die Lizenz an sich dürfte nicht billig gewesen sein. Für 20 Prozent der Offshore-Konzessionen in Abu Dhabi habe die OMV 1,5 Milliarden Dollar bezahlt, sagt ein OMV-Sprecher zur „Presse“. Wie viel für die Lizenzen in Neuseeland kosteten, nannte er nicht.
Die seit 2017 amtierende Premierministerin Jacinda Ardern von der New Zealand Labour Party will sich zwar mehr für erneuerbare Energien einsetzen. Aber ein Lizenzentzug oder eine Kompensation sei nicht im Gespräch, sagt der Konzern-Sprecher. OMV fördert 40.000 Barrel pro Tag in Neuseeland. Das entspricht rund einem Zehntel der Gesamtförderung des Wiener Konzerns.
Weitere Explorationen sogar „notwendig"
„Weitere Explorationen werden in Neuseeland sogar notwendig sein. Denn das Gas, was morgen gebraucht wird, muss heute gesucht werden“, erklärt er. Derzeit werden „55 Prozent des neuseeländischen Energiebedarfs durch Öl- und Gas gedeckt. Die dort erzeugte Energie, wird auch gebraucht“, warnt der Sprecher.
Das sieht der Klimaaktivist Smith anders. Gemäß des Waitangi-Vertrages - dieser wurde 1840 zwischen eingeborenen Māori und der britischen Krone unterzeichnet - hätte die Māori-Bevölkerung bei geplanten Offshore-Plänen konsultiert werden müssen. Das sei Smith zufolge bisher aber nicht erfolgt.
Das der Konzern nicht mit den Māori in Kontakt stehe, sei „falsch“, heißt es seitens der OMV. Es gäbe nicht den einen Vertreter aller Māori-Stämme. Der Stamm von Mike Smith sei nicht in der Gegend ansässig. OMV stehe mit den Stämmen in der Taranaki-Region in Kontakt.
Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof
Trotzdem will die Anwältin Alison Cole nach November die Klage am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag einreichen. Sie arbeitete schon beim IStGH und bei UN-Tribunalen für Ruanda, das ehemalige Jugoslawien, Kambodscha und Sierra Leone.
Seit der Verabschiedung des Römischen Statut 1998 ist der IStGH zuständig für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen. Dabei obliegt die strafrechtliche Verantwortung Einzelpersonen, deswegen wird nicht die Firma OMV verklagt, sondern Rainer Seele als Person. Gegen Seele habe Cole mehrere Klagen geplant.
Keinen Präzedenzfall für Klimaklagen
Smith zeigt sich optimistisch: „Jetzt existiert das richtige Klima um mit der Klage erfolgreich zu sein.“ Einen Präzedenzfall für Klimaklagen gibt es nicht. „Es passiert in internationalen Klimaverfahren sehr, sehr viel“, sagt die Anwältin Michaela Krömer, die sich für Greenpeace engagiert. Schon 2016 hatte die Chefanklägerin beim IStGH, Fatou Bensouda, angekündigt, Verbrechen zu priorisieren, die in Verbindung zu „Umweltzerstörung, illegaler Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und rechtswidriger Enteignung von Land“ stehen. Somit könnten nun Unternehmenschefs oder Politiker völkerrechtlich für illegale Landdeals verantwortlich gemacht werden.
Auch Greenpeace bereitet die erste Klimaklage gegen die Regierung in Österreich vor, kündigt der Greenpeace-Verteter, Adam Pawloff, an. Noch im Herbst will die Umweltschutzorganisation beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) Klage gegen klimaschädliche Gesetze einreichen