Italien

„Sardinen“ stehlen Lega-Chef Salvini die Show auf der Piazza

#GattiniconSalvini – Kätzchen mit Salvini. Der Lega-Chef antwortet auf den „Sardinen“- Protest mit Bildern von Kätzchen, die genüsslich die kleinen Fische verspeisen.
#GattiniconSalvini – Kätzchen mit Salvini. Der Lega-Chef antwortet auf den „Sardinen“- Protest mit Bildern von Kätzchen, die genüsslich die kleinen Fische verspeisen.Facebook
  • Drucken

Eine neue Protestbewegung gegen den Rechtspopulisten breitet sich rasant im ganzen Land aus. Anlass dürften die Regionalwahlen Ende Jänner sein, die die zerstrittene Regierungskoalition weiter in Bedrängnis bringen könnte – und ein Comeback der Lega wahrscheinlicher macht.

Rom/Wien. Lega-Chef Matteo Salvini, derzeit unermüdlich auf Italien-Reise, stößt auf unerwarteten Widerstand: auf die „Sardinen“. So nennt sich die Anti-Lega-Bewegung, die gerade erst im mittelitalienischen Bologna entstanden ist – und sich auf die „Piazze“ von ganz Italien ausbreitet, eigentlich das Terrain des Rechtspopulisten-Chefs.

Den Anfang machte ein Flashmob in der Studentenstadt: Anlässlich des Besuches Salvinis riefen einige Bologneser vergangene Woche über soziale Medien und WhatsApp zu Protestkundgebungen auf und brachten bis zu 15.000 Menschen auf die Piazza Maggiore. Man sang „Bella Ciao“, ansonsten verhielten sich die Demonstranten auffallend ruhig: Ohne Slogans, Fahnen oder „polarisierende Couleurs“ wolle man die Piazza füllen – als Gegengewicht zu Salvinis offenem Rassismus, hieß es auf Facebook.

„Denen, die am lautesten schreien, antworten wir mit Schweigen. Wir sind lautlos, wie Fische. Wie ein Schwarm halten wir zusammen, wie Sardinen drängen wir uns eng aneinander. Denn es gibt mehr von uns als von ihnen“, sagt Mattia Santori, einer der Organisatoren des Bologna-Protestes. Er gehöre keiner politischen Partei an, beteuert der 32-jährige Athletiktrainer. Darauf beharren auch „Sardinen“-Organisatoren anderer Städte, zu denen unter anderem eine Klosterschwester (Turin), ein Koch (Sorrent) und eine Tänzerin (Neapel) zählen.

Dank Internet vermehren sie sich rasant: Erst zu Wochenbeginn kamen 7000 Personen trotz Dauerregens in Modena zusammen, wo Salvini ebenfalls eine Kundgebung abhielt. Manche Demonstranten hielten Sardinen aus Pappkarton hoch. In den nächsten Tagen und Wochen sind „Sardinen“-Proteste in ganz Italien geplant – von Rimini über Florenz, Mailand, Turin, Rom bis hin nach Bari.

„Kratz an einer Sardine. . .“

Auch wenn die Demonstranten ihre Parteiunabhängigkeit betonen, steckt laut Lega hinter dem Protest die Linke: „Kratz an einer Sardine, und du entdeckst einen Linksdemokraten“, twittert Salvini höhnisch. Tatsächlich wird der Protest wohl vom immer realeren Szenario motiviert, dass der Lega-Chef bald wieder in der Regierung sitzen könnte. Salvini hatte sich im August durch seinen nicht ganz durchdachten Rücktritt in die Opposition katapultiert. Sein Expartner, die radikale Fünf-Sterne-Bewegung, tat sich damals überraschend mit den ehemals verfeindeten Linksdemokraten zusammen und bildete eine neue Regierung. Die Lega bleibt aber in Umfragen stärkste politische Einzelkraft. Bei Regionalwahlen im traditionell roten Umbrien verdrängte sie souverän die Linke. Nun bereitet sie sich auf eine noch größere „Revolution“ in der linken Hochburg Emilia Romagna vor, deren Hauptstadt Bologna ist. Sollte die Lega dort Ende Jänner die Linke verdrängen und die Fünf Sterne ihr nächstes Debakel erleben, dürfte das „Erdbeben“ in Rom nicht ohne Folgen bleiben.

Dort erweist sich die Regierungspartnerschaft ohnehin als mühsam: Die beiden Parteien sind sich in nahezu allen großen Themen uneins: vom Vorgehen mit dem Stahlwerk Ilva in Tarent, der Alitalia-Zukunft bis zum Budget. Zuletzt stritt man wegen einer an sich bereits abgesegneten Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), die die Fünf Sterne nun ablehnen. Vorgesehen ist, dass Länder in finanziellen Schwierigkeiten nur dann Unterstützung erhalten, wenn sie einer Umschuldung zustimmen.

Für Salvini sind diese Streitereien willkommene Wahlkampfhilfe. Zustimmung zur ESM-Reform sei „Hochverrat“, tönte er – obwohl seine eigene Regierung dies abgesegnet hatte. Und auf den „Sardinen“-Angriff startete er prompt die virtuelle Gegenattacke: Er lancierte #gattiniconSalvini, also süße Kätzchen, die genüsslich Sardinen verspeisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der Rechtspopulist Salvini ist hoch umstritten.
Außenpolitik

Anti-Salvini-Protestbewegung etabliert sich in Italien

Tausende demonstrieren gegen den rechten Lega-Chef Salvini in der Emilia Romagna. Die „Sardinen“, wie sich die Bewegung nennt, plant weitere Aktionen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.