Deutsche Ermittler vermuten Auftragsmord an einem Georgier.
Berlin/Moskau. Etwas mehr als drei Monate ist es her, dass der Georgier Selimchan Changoschwili am helllichten Tag und mitten in Berlin hingerichtet wurde. Ein Kopfschuss aus kurzer Distanz tötete den 40-jährigen Familienvater im Stadtteil Moabit.
Der Fall könnte sich zur diplomatischen Affäre auswachsen. Denn es häufen sich die Indizien, dass der Mord von Russland oder dessen Teilrepublik Tschetschenien in Auftrag gegeben wurde. Das berichten „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“). Die Generalbundesanwaltschaft will demnach die Ermittlungen an sich reißen. Die Behörde schaltet sich auch dann ein, wenn ein fremder Geheimdienst involviert sein könnte.
Changoschwili, einst auch Rebellenkommandeur in Tschetschenien, hatte laut „SZ“ den Verdacht geäußert, dass ihn Russland töten wolle. „Die russischen Organe werden einen Mord inszenieren“, soll er gesagt haben, als er 2017 um Asyl ansuchte. Der Antrag wurde abgelehnt, Changoschwili durfte trotzdem bleiben. Er war auch in Berlin nicht sicher. Sein mutmaßlicher Mörder, der laut Ausweis Vadim S. heißt, war mit einem Fahrrad unterwegs. Er schweigt zurzeit in U-Haft.
Die Behörden hegen nun den Verdacht, dass es sich bei Vadim S. eigentlich um Vadim K. handelt, einen gebürtigen Kasachen, der 2013 einen russischen Geschäftsmann ermordet haben soll. Zwischen ihm und dem Berliner Verdächtigen soll es große Ähnlichkeit geben. Russland hatte die Fahndung nach K. 2015 eingestellt. Die Ermittler vermuten, dass er rekrutiert wurde. (strei/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2019)