Sicherheitskreise belasten den Georgier tschetschenischer Abstammung, der im Sommer in Berlin erschossen wurde. Denkbar ist, dass Geheimdienste in dem früheren Kämpfer einen noch immer aktiven Gegenspieler sahen.
Moskau. Vor einem Vierteljahrhundert, in den Dezembertagen 1994, marschierte die russische Armee in Tschetschenien ein. Bomben fielen auf Wohnhäuser, Zivilisten hausten in Ruinen, Flüchtlinge rannten um ihr Leben. Selimchan Changoschwili, dessen mutmaßlich von russischen Behörden beauftragte Ermordung eine Krise zwischen Berlin und Moskau ausgelöst hat, wuchs im Nachbarland Georgien auf, im von Tschetschenen besiedelten Pankisi-Tal. Er wollte dem brutal geführten Krieg nicht nur zusehen. In den Nullerjahren beschloss er, etwas zu tun. Für junge Männer hieß das: kämpfen.
Der Krieg in Tschetschenien ist offiziell schon lang vorbei. Doch Changoschwilis Leben blieb mit dem Konflikt und seinen Verwerfungen verwoben. Egal, wo er war: in Georgien, in der Ukraine, in Deutschland. Changoschwili ist nicht der erste, der von seinen Gegnern eingeholt wird. In den letzten Jahren wurden Exil-Tschetschenen in der Ukraine, der Türkei und in den Vereinigten Arabischen Emiraten ermordet. In Wien wurde 2009 der Asylwerber Umar Israilow erschossen. Er fühlte sich von Anhängern des Kreml-treuen Machthabers Ramsan Kadyrow verfolgt. Wie Changoschwili bat er erfolglos um Polizeischutz. Warum aber musste er sterben?
Der 40-Jährige war Feldkommandant im bewaffneten Aufstand von Tschetschenenanführer Aslan Maschadow. Nach einer Verletzung ging er zurück nach Georgien. Gerüchteweise organisierte er im Georgien-Krieg 2008 Freiwillige für den Einsatz gegen Russland.