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Wolfgang Anzengruber: "Ich glaube an eine nachhaltige technische Revolution"

Was braucht es, um den drohenden Klimakollaps auf Erden zu verhindern? Eine systematische Dekarbonisierung des Energie- und Wirtschaftssystems, fordert Verbund-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Anzengruber. Ein Kommentar zur Strategie des Energiekonzerns, zu den Anforderungen an die Politik und zum Glauben an die Energiezukunft.

Energie ist der Antrieb für unser Leben. Für den vom wirtschaftlichen Wachstum getriebenen Hunger nach Energie bezahlen wir Menschen aber zugleich einen immer höheren „Preis“. Unsere Erde ist erschöpft – nicht morgen, schon heute. Der Klimawandel mit seinen verheerenden Folgen steht nicht ante portas, er ist im Gang. Und der Hauptverursacher ist nach eindeutigem Befund der Wissenschaft das Treibhausgas CO₂. Das alles ist keine Schwarzmalerei, das sind Fakten.

Volle Kraft den erneuerbaren Energien!

Für Verbund als größtes österreichisches Stromunternehmen ist der Weg in die Zukunft demnach klar: Wir haben knapp 100 Prozent CO₂-freie Stromerzeugung, steigern die Energieeffizienz und treiben die Dekarbonisierung und die Digitalisierung voran. Basis und Herzstück unseres Unternehmens ist und bleibt die effiziente Wasserkrafterzeugung. Wir betreiben 128 Wasserkraftwerke, setzen auf Effizienzsteigerungen bei bestehenden Anlagen und haben rund 30 Projekte in der Pipeline.

Ergänzend zur Wasserkraft setzen wir auf den Ausbau der neuen erneuerbare Energien. Wind- und Sonnenkraft sollen künftig an die 20 bis 25 Prozent der Gesamterzeugung von Verbund ausmachen. Gemeinsam mit der OMV errichten wir zum Beispiel im Weinviertel gerade die größte Photovoltaik-Freiflächenanlage Österreichs. Bei Windkraft verfügen wir in Österreich, Deutschland und Rumänien bereits über 153 Anlagen.

Ohne Innovation keine nachhaltige Energiezukunft

Wir müssen in Innovation und Forschung investieren, unsere Wirtschaft umgestalten und unsere Industriepolitik modernisieren: Der aus Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnene grüne Wasserstoff hat aus unserer Sicht enormes Potential, als Industrierohstoff, Energieträger und als Speichermedium. Wir treiben das gemeinsam mit Industriepartnern mit Großprojekten voran, zum Beispiel am Standort der Voestalpine in Linz (H2FUTURE).

Auch unseren Standort in Mellach entwickeln wir zu einem Standort für Zukunftstechnologien. Einerseits werden Großbatterien speziell für die E-Mobilität getestet, andererseits sorgen wir mit einem Hochtemperatur-Elektrolyse-Pilotprojekt mit der TU Graz für die Produktion des zukunftsträchtigen grünen Wasserstoffs.

Zur Person

Nach seinem TU Wien Studium Maschinenbau und Betriebswissenschaften startete Wolfgang Anzengruber, geboren 1956 in Steyr, seine berufliche Karriere bei der Simmering-Graz-Pauker SGP in den Bereichen Umwelttechnik und Verkehrstechnik. In leitenden Funktionen bzw. Vorstandspositionen war er in der Folge u. a. bei Asea Brown Boveri ABB Energie, den Salzburger Stadtwerken, der Salzburg AG und der Palfinger Gruppe tätig. Mit 1. Jänner 2009 wurde Anzengruber zum Vorstandsvorsitzenden der Verbund AG bestellt.

Mit großen Stromspeichern lässt sich eines der Kernprobleme der Energiewende lösen

Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien aus Quellen wie Wind und Sonne steigt die Volatilität der Stromerzeugung. In Sachen Energie-Systemmanagement, also beim Ausgleich von Angebot und Nachfrage, kommt die Notwendigkeit von Energie- und Stromspeichern ins Spiel. Unsere großvolumigen Pumpspeicher leisten da einen entscheidenden Beitrag, aber wir investieren auch massiv in die Entwicklung alternativer Speichertechnologien.

Dazu gehören neben grünem Wasserstoff Batteriespeicher in Form von Lithium-Ionen-Akkus. Diese sind für energieintensive Branchen wie Metall-, Halbleiter- oder Glasindustrie interessant und spielen eine Schlüsselrolle für die Energiezukunft der E-Mobilität. Ein Projektbeispiel von Verbund ist SYNERG-E, wo wir lokale Batteriespeicher an Hochleistungs-Ladestandorten für Elektroautos installieren, um ultraschnelles Laden ohne Netzbelastung zu ermöglichen. Drei Batteriespeicher in Wien, Graz und Innsbruck haben wir bereits in Betrieb genommen.

Die Politik muss die ökologischen und ökonomischen Leitplanken vorgeben

Im Rahmen des Green Deals will die Europäische Kommission die Klimaziele für 2030 noch weiter verschärfen, auf mindestens 50 bis hin zu 55 Prozent. Europa soll beim Klimaschutz eine Vorreiter-Rolle einnehmen und bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent werden. Österreich wird 2018 und wohl auch 2019 und 2020 die Klimaschutzvorgaben verfehlen. Damit drohen der Republik Strafzahlungen in der Höhe von acht bis zehn Milliarden Euro. Wollen wir nicht lieber in die Zukunft investieren, anstatt für Versäumnisse der Vergangenheit Strafe zu zahlen?

Energiewirtschaft, Industrie und Konsumenten brauchen langfristig stabile und klare Rahmenbedingungen für ihre Investitions- und Kaufentscheidungen. Das ist Aufgabe der Politik. Einen zentralen Baustein für die Dekarbonisierung bildet die adäquate Bepreisung von CO₂ in unserem Energie- und Wirtschaftssystem. Unser Standpunkt dazu: Der EU-Zertifikatshandel (ETS) soll weiterhin das Instrument der CO₂-Bepreisung sein. Allerdings muss er um die Sektoren Mobilität und Wärme erweitert werden, die gerade in Österreich einen Großteil der Emissionen ausmachen.

Statt einer CO₂-Steuer plädiere ich für einen sukzessive ansteigenden CO₂-Mindestpreis. Im Klartext heißt das: Der Mindestpreis muss so lange steigen, bis der Marktpreis für CO₂ seine lenkende Funktion entfalten kann.

Wir können es nicht mehr verantworten, nichts zu tun

Wir sind also die erste Generation, die die Klimakrise am eigenen Leib erlebt und wohl die letzte Generation, die noch in der Lage ist, das Ruder herumzureißen. Also packen wir es an – im Wissen, dass das notwendige Ende des fossil-nuklearen Energiesystems nicht das Ende der Entwicklung, sondern vielmehr der Aufbruch in eine neue, nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft ist. Wir müssen nicht unsere Freude an Mobilität, Technik, Mode und Kommunikation zügeln, sondern vielmehr unseren Ressourcenverbrauch. Die Jugend lebt uns das heute schon vor, wenn sie zum Beispiel ein Auto lieber teilt als besitzt und beim Konsum auf regionale Herkunft achtet. Denn mehr Konsum macht uns nicht glücklicher.

Sinn liegt aus meiner Sicht vielmehr in einer nachhaltigen technologischen Revolution, die nicht auf Ausbeutung setzt, sondern auf eine clevere und saubere Nutzung von Ressourcen. Ich glaube daran, dass Forschung, Entwicklung und Innovation uns die Wende weg von CO₂ und hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energieträgern ermöglichen werden. Die Vision einer erneuerbaren Energiezukunft ist für uns alle mit Sicherheit die beste Option.

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