Der ökonomische Blick

Planwirtschaftliche Zielvorgaben für Österreichs Universitäten?

Die Presse (Clemens Fabry)
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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Alejandro Cunat und Philipp Schmidt-Dengler über Uni-Politik.

Ein ökonomisches Sprichwort besagt, dass, wann immer eine Kennzahl zur Zielgröße wird, sie eben als Kennzahl unbrauchbar wird. Die Erfahrungen der Sowjetunion mit der zentralen Planung sind in dieser Hinsicht instruktiv. Nehmen wir als Beispiel ein Stahlunternehmen, das laut planwirtschaftlicher Zielvorgabe eine bestimmte Menge Stahl herstellen soll. Nichterfüllung der Zielvorgabe geht mit unerfreulichen Konsequenzen für das Management einher (einschließlich bezahlter Urlaubstage in Sibirien). Die vorgeschriebene Menge wird also auf Teufel komm raus produziert, ohne Rücksicht auf die Qualität. Schließlich zählt die vorgegebene Menge, und nicht, ob irgendjemand mit dem produzierten Stahl auch etwas anfangen kann.

Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Das Schicksal des planwirtschaftlichen Modells in der Sowjetunion ist allseits bekannt. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass eine ÖVP-Regierung mit einem ÖVP-Wissenschaftsminister, der die Universität gut von innen kennt, ähnliche Fehler riskiert. Vielleicht ist es aber auch das Neue an der “neuen” ÖVP, dass planwirtschaftliche Methoden nicht mehr Feindbild sondern Vorbild sind.

Nach der neuen “Universitätsfinanzierungsverordnung” werden Mittel Universitäten in Abhängigkeit folgender Zielgrößen zugewiesen: wie viele Studierende mindestens eine bestimmte Zahl von Prüfungen, beziehungsweise wie viele Studierende ein Studium abschließen.

Die Universitäten geben den Anreiz, Studierende möglichst schnell erfolgreich sein zu lassen an die Fakultäten weiter, die sie wiederum an ihre Institute weitergeben: Die Finanzierung eines Instituts hängt vom Prüfungserfolg in den von ihm angebotenen Studien. Das kann natürlich positive Effekte mit sich bringen: Der Unterricht wird besser, veraltete Programme werden überarbeitet, Studierende werden besser informiert, administrative Hürden abgebaut, etc...

»Während der Held der sozialistischen Arbeit noch Kohle abbauen musste, braucht Professor Stachanow nur mehr eine Prüfung anzubieten, bei der jede Antwort richtig ist. «

Wenn es aber nur darum geht, dass möglichst viele Studierende möglichst viele Prüfungen bestehen, steht die Qualität der Ausbildung auf dem Spiel. Das Astrologie-Institut kann seine Ziele am schnellsten erreichen, indem es das Niveau in seinen Lehrveranstaltungen senkt. Während der Held der sozialistischen Arbeit noch Kohle abbauen musste, braucht Professor Stachanow nur mehr eine Prüfung anzubieten, bei der jede Antwort richtig ist. Kann das Institut für Schüßler-Salze seine hohen Standards einhalten, wenn Kürzungen drohen? Es werden ja mehr Lehrkräfte in der erfolgreichen Astrologie benötigt, wo alle Prüfungen bestanden werden.

Ein derartiges Finanzierungsmodell hilft in erster Linie Studierenden, die auf der Suche nach dem leichtesten Studium sind. Wenn der Abschluss wichtiger ist als das Lernen, werden „einfache“ Programme eher als „gute“ Programme studiert.

Dies führt dann auch im Wettbewerb zwischen den Universitäten zu einer Nivellierung nach unten. Wir sollten dieses Risiko nicht unterbewerten, insbesondere in einem Land, in dem akademische Titel an sich nach wie vor einen hohen Stellenwert haben, im Alltag sichtbar sind, auf e-card und Führerschein eingetragen werden. Jetzt sollen “eintragungsfähige Titel für offizielle Dokumente” auch die Lehrberufe wieder attraktiver machen.

Ein Kollege von uns meinte einmal im Scherz, die Qualität der universitären Ausbildung sei von vernachlässigbarer Bedeutung, solange nur die medizinischen Fakultäten des Landes ihre Standards beibehalten. Wir machen uns dennoch Sorgen: Absolventen aller Fachrichtungen nehmen am Ende eine wichtige Rollen in Wirtschaft und Verwaltung ein, sind verantwortlich für Sicherheit von Bauten und im Verkehr.

Qualitätssicherung in Eigenverantwortung

Bedenklich erscheint uns, dass die Diskussion ohne flankierende Maßnahmen zur Qualität der Ausbildung in den Studiengängen einhergeht. Staatliche Universitäten brauchen ihre Studien nicht extern akkreditieren lassen. Die Qualitätssicherung erfolgt in erster Linie in Eigenverantwortung.

Es gibt kein makelloses Modell zur Finanzierung öffentlicher Universitäten, aber Anreizwirkungen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Eine universitäre Ausbildung hat gerade deshalb einen Wert, weil man sie eben nicht um einen bestimmten Preis kaufen kann. Eine finanzielle Belohnung der universitären Institute für die Zahl der bestandenen Prüfungen und Abschlüsse versieht letztere mit einem Preis und entwertet sie dadurch.

Wie wäre es, alle 18-jährigen mit Gutscheinen für das Belegen von Lehrveranstaltungen in einem bestimmten Ausmaß auszustatten? Mit den Gutscheinen fließt dann das Geld dorthin, wo studiert wird, und nicht, wo Prüfungen bestanden werden. Das beschränkte Ausmaß ermutigt Studierende, genau zu erwägen, wofür sie ihre Gutscheine am besten ausgeben wollen. Vielleicht für gut konzipierte, fordernde Programme an forschungsstarken Instituten mit internationalem Ruf.

Die Autoren

Alejandro Cunat ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Research Fellow am CES-Ifo in München

Philipp Schmidt-Dengler ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Research Fellow am Centre for Economic Policy Research in London.

Alejandro Cunat und Philipp Schmidt-Dengler
Alejandro Cunat und Philipp Schmidt-Dengler

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