Kurz: „Das überrascht dann die Deutschen“

Am Dienstag gastierte Kanzler Kurz bei Bundespräsident Steinmeier. Sie kennen einander aus der gemeinsamen Zeit als Außenminister.
Am Dienstag gastierte Kanzler Kurz bei Bundespräsident Steinmeier. Sie kennen einander aus der gemeinsamen Zeit als Außenminister.(c) dpa-Zentralbild/Britta Pedersen (Britta Pedersen)
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Diplomatie. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat am Tag zwei seines Berlin-Besuchs auch die Wirtschaft umworben. Und er erklärte im Fernsehen, dass es die Deutschen manchmal verblüffe, wenn man eine „andere Meinung“ vertrete.

Berlin. Tag zwei des offiziellen Berlin-Programms von Sebastian Kurz hatte noch nicht begonnen, da tauchte Österreichs Kanzler schon auf den Fernsehschirmen in den deutschen Wohnzimmern auf. Im Sat.-1-Frühstücksfernsehen erfuhr man eher Belangloses, wie zum Beispiel, dass sich der Kanzler seinen Anzug morgens selbst zurechtlegt und dass er Zuhause am liebsten „Pizza“ bestellt, wobei er eben viel unterwegs sei. Auch seine „schönen Haare“ (Moderatorin) waren Thema.

Doch neben der leichten Unterhaltung sagte Kurz einen bemerkenswerten Satz über die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland: „Die Deutschen sind ein großes, tonangebendes Land in der EU und dadurch manchmal überrascht, wenn jemand eine andere Meinung vertritt.“ Es gebe mit Deutschland „viele Gemeinsamkeiten“, aber eben auch Differenzen. Als Beispiel nannte Kurz sein Lieblingsthema, die Migration.

Schon beim Treffen am Montag hatten weder Kurz noch Angela Merkel ihren Dissens in zwei Punkten verheimlicht. Deutschland will die Seenotrettungsmission Sophia wiederbeleben, Kurz will das nicht. Und auch eine Finanztransaktionssteuer lehnt Kurz in der vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz erdachten Fassung ab, weil sie nicht Spekulanten, sondern Kleinanleger in einer Zeit der Niedrigzinsen treffe, in der sich in Österreich ohnehin „zu wenig Menschen am Kapitalmarkt beteiligen“, wie Kurz am Dienstag noch einmal betonte.

Nach dem Treffen mit Merkel gab es eher eine schlechte Presse. Selbst die Kurz zugeneigte Zeitung „Welt“ wähnte „zerstrittene Nachbarn“ und verglich Kurz' Auftritt auf der Pressekonferenz mit jener eines „Schuljungen“, weil er sich Merkel zugewandt hatte, und nicht, wie üblich, geradeaus blickte, als die Kanzlerin sprach.

Wie auch immer. Die Abnabelung von der deutschen EU-Politik, die betonte Eigenständigkeit, zeigt sich auch im Terminplan des Kanzlers, der zuerst auf Antrittsbesuch nach Prag zu den Visegrád-Staaten flog und erst später nach Berlin. Das war kein Zufall.

Werben um die Wirtschaft

Tag zwei in der deutschen Hauptstadt führte Kurz zur glücklosen CDU-Chefin und möglichen Merkel-Erbin Annegret Kramp-Karrenbauer und noch davor ins Schloss Bellevue, zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Kurz und Steinmeier kennen sich noch aus jenen Tagen, als beide Außenminister waren. Und schon vormittags tauschte sich Kurz hinter verschlossenen Türen mit dem Präsidenten des Bunds der Deutschen Industrie aus. Es war wohl ein Heimspiel für Kurz. Der deutsche Mittelstand fühlt sich von der Politik bekanntermaßen vernachlässigt. Zugleich verunsichern die großen Umbrüche in der Autoindustrie sowie der zeitgleiche Ausstieg aus Kohle- und Atomkraft.Österreich bekommt dagegen für seine Standortpolitik „viel Zustimmung“, wie Kurz sagt. Zuletzt hätten mehrere deutsche Firmen wie Infineon, Böhringer und ABB entschieden, ihre Investments in Österreich auszubauen.

Auch allen weiteren Interessenten rolle man den „roten Teppich“ aus, erklärte Kurz, der in Berlin auch um deutsche Skitouristen warb, gern auch „Kurzentschlossene“. Vielleicht wollte er ja Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kontern, der einst angesichts des Transitstreits mit Tirol vom Skiurlaub in Österreich abgeraten hatte und stattdessen Winterurlaub dahoam in Bayern empfahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2020)

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